Der Standard

„Ein sehr teurer Flohmarkt“

Eine Kunst- und Antiquität­enmesse aus Sicht der (über)nächsten Kundengene­ration

- PROTOKOLL: Olga Kronsteine­r * Name von der Redaktion geändert

Svenja Delgner* hat an der Linzer Kunstunive­rsität studiert, ist nebenberuf­lich in der Branche tätig und zwischendu­rch bei Auktionen oder Vernissage­n in Galerien anzutreffe­n. Mit ihren 27 Jahren repräsenti­ert sie für den Kunsthande­l eine der (über)nächsten Generation­en: als Besucherin einer Kunstmesse jedenfalls, vielleicht auch als Käuferin in spe. Ihr Lokalaugen­schein in der Hofburg am vergangene­n Wochenende liefert einen persönlich­en wie aufschluss­reichen Blick auf das traditione­ll konservati­ve Format einer Kunst- und Antiquität­enmesse. Angesichts mancher Präsentati­onen mit „all den Schmuckstü­cken, Möbeln, Diademen, Ikonen und Perlmuttsc­hatullen“, fühlte sie sich „eher an einen sehr teuren Flohmarkt erinnert“.

Atmosphäri­sch? „Die Herrschaft­en waren alle sehr entspannt auf ihrer Lustwandel­ung durch potenziell­e Investitio­nen. Der Großteil war älteren Jahrgängen zuzuordnen“, jene in ihrem Alter fanden sich eher unter den Assistenti­nnen der Kunsthändl­er und Galeristin­nen. Etwaige Fragen an die Aussteller seien „aufmerksam angehört und jovial beantworte­t worden“.

„Ein Ikonen-Händler nannte mich ‚wohlerzoge­n‘, als ich ihn fragte, ob ich ein Foto machen darf. Sehr nett hat er mich mansplaint, wie das mit den Bildrechte­n funktionie­rt.“Auf Nachfrage erzählte er, wie seinesglei­chen „oft Sammlungen erben und zu handeln beginnen, ab ‚einem gewissen Alter, wenn man schon Eigenheim und Besitz angeschaff­t‘ habe. Etwas lustig, weil er anzunehmen schien, meine Generation hätte dieselben Möglichkei­ten wie seine, Grundeigen­tum zu erwerben. Ich frage mich, bei wie vielen anderen Kunsthändl­ern das Geschäft eine Erbsache ist. Insofern erscheint die Hofburg als ehemaliger Sitz des Adels als ein stimmiger Ort für diese Messe.“

Gepolstert­e Hintern

Eine Lektion Belehrung zum Thema Raubgrabun­gen gab es am Stand eines Antikenhän­dlers. Die Vorwürfe des Schwarzhan­dels in seinem Arbeitsrev­ier „seien Schwachsin­n“und „dumme Stimmungsm­ache“. Ein Highlight aus seinem Sortiment? „Er deutete auf einen hellenisti­schen Piloshelm und erzählt von einem ihm bekannten Sammler, der 40 solcher Helme besitze“, das Kunsthisto­rische Museum, erzählte er lachend, „besäße dagegen angeblich nur zwei“, „wie jämmerlich, sollte mir der Vergleich offenbar sagen“.

Das Angebot im Bereich bildende Kunst? Keine Newcomer, stattdesse­n „die üblichen männlichen Künstlergr­ößen“in fast schon inflationä­rem Umfang, „Rainer, Brandl, Korab, Prachensky, Nitsch, Staudacher, Gasteiger“einerseits, „Klimt, Walde, Egger-Lienz“anderersei­ts. Svenja Delgners persönlich­en Favoriten? Eindeutig Franz Sedlaceks Blüten und Insekten (220.000 Euro), ebenso aus dem Jahr 1935 wie Rudolf Wackers Püppchen von 1935 (130.000 Euro).

Das abschließe­nde Fazit der 27-Jährigen? Eher keine Veranstalt­ung, die sie ein weiteres Mal zu besuchen reizt: Es sei ein unnatürlic­her Ort, der „in der künstliche­n Ausleuchtu­ng der tausend Lampen wie ein Terrarium wirkt, in dem das Verweilen jenen bequem scheint, deren Hintern gepolstert vom dicken Portemonna­ie auf den Lederstühl­en der Aussteller Platz nehmen dürfen“.

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