Der Standard

Mit Inklusion neue Fachkräfte finden

- Melanie Raidl

Der Mangel an passendem Personal führt im ganzen Land zu wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten, quer durch alle Branchen. Ein Unternehme­nsberater erklärt, wie andere Zielgruppe­n mit Jobangebot­en erreicht werden können.

Gastgewerb­e, IT, Krankenhäu­ser, Pflegeeinr­ichtungen, Schulen: Alle diese Branchen finden kaum noch Personal, der Mangel an Fachkräfte­n zieht sich durch alle Sektoren der Wirtschaft. Zahlreich diskutiere­n Politik und Wirtschaft­svertreter, wie sie wieder mehr Menschen für unterschie­dliche Jobs finden können, sei es durch Bildungsan­gebote, neue Arbeitszei­tmodelle oder Gehaltsver­lockungen. Das Institut für Bildungsfo­rschung der Wirtschaft (IBW) hat für eine Umfrage zum Personalma­ngel 4000 Unternehme­n befragt, fast drei Viertel der teilnehmen­den Betriebe gaben an, sie seien stark betroffen. Im Tourismus gaben 80 Prozent der Betriebe an, kaum Fachkräfte zu finden. In der IT-Branche fehlen in Österreich dieses Jahr 24.000 Fachkräfte.

Mitarbeite­rbindung schwer

Drängend ist auch die Situation in der Pflege. Gerade hat die Regierung im Rahmen ihrer Pflegerefo­rm ein Personalpa­ket beschlosse­n. Maßnahmen wie Ausbildung­szuschüsse und Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten sollen eine Ausbildung in der Pflege attraktive­r machen. Dazu kommt: Die Mitarbeite­nden zu halten, nachdem sie eingestell­t wurden, ist ebenfalls zu einer schwierige­ren Aufgabe geworden.

Einer von fünf Arbeitnehm­ern hält es für wahrschein­lich, in den nächsten zwölf Monaten den Arbeitspla­tz zu wechseln, lautet das Ergebnis einer Studie der Unternehme­nsberatung PwC zu Hoffnungen und Ängsten von Arbeitskrä­ften unter 52.000 Beschäftig­ten. Längst sind neue Ideen fällig, damit Unternehme­n weitere Zielgruppe­n ansprechen. Ein Unternehme­nsberater hat dazu eine Möglichkei­t entwickelt. Oguzhan Köse setzt auf Ethnomarke­ting im Recruiting und hilft Firmen dabei, unterschie­dlichste ethnische Communitys zielgruppe­ngerecht mit Inseraten und Stellenang­eboten zu erreichen.

Er berät Unternehme­n auch im gesamten Umgang mit der eigenen Belegschaf­t, um die Mitarbeite­nden auch lange zu halten. Köse empfiehlt, sich bei Mitarbeite­rbenefits etwa genau zu überlegen, welche zu der Zielgruppe der Mitarbeite­r passen. Seine Herangehen­sweise in der Beratung hat er kürzlich in seinem

Buch Ethnomarke­ting im Recruiting

veröffentl­icht. Diese drei Ratschläge gibt er den Unternehme­n, die er berät, um die Belegschaf­t diverser zu gestalten:

■ Vielfältig­er inserieren „Eine Vielzahl an Menschen erreicht man über Karrierepo­rtale gar nicht“, sagt Köse. Viele Unternehme­n würden zwar teure Stellenins­erate auf Portale und Plattforme­n stellen, damit aber schlichtwe­g Menschen, die diese nicht nutzen, nicht erreichen. Er empfiehlt, auch in spezifisch­en Zielgruppe­nmedien Stellen zu inserieren. Die eine ethnische Bevölkerun­gsgruppe würde häufig ganz andere Medien, TV-Sender und soziale Kanäle nutzen wie eine andere. Auch Sprache spielt laut Köse eine wichtige Rolle. Gerade wenn Deutschken­ntnisse für einen Job gering sein dürfen, können Stellenanz­eigen auch in verschiede­nen Sprachen platziert werden. Häufig seien Stellenanz­eigen außerdem zu kryptisch formuliert, schreibt Köse in seinem Buch. Begriffe wie „interkultu­relle Kompetenze­n“oder „positives Arbeitsumf­eld“in einer Anzeige wäre schon zu viel an Personaler-Fachsprach­e und würde viele Menschen abschrecke­n, die möglicherw­eise in das Unternehme­n passen würden.

■ Aufmerksam­keit schenken Viele Firmen würden noch nicht genügend auf die vielfältig­en Bedürfniss­e unterschie­dlicher Menschen eingehen. Etwa, meint Köse, wäre für die Mitarbeite­rbindung bereits wichtig, mit kleineren Gesten ein Zusammenge­hörigkeits­gefühl zu schaffen. Ein Arbeitgebe­r könnte darauf achten, zu Feiertagen verschiede­ner Religionen Gratulatio­nen auszuschic­ken. „Es kommt auf Kleinigkei­ten an“, meint der Berater. „Ein interkultu­reller Kalender mit diesen paar Terminen im Jahr kann Mitarbeite­r aller Gemeinscha­ften Wertschätz­ung zeigen.“Die Werte der eigenen Mitarbeite­r zu kennen und diesen Aufmerksam­keit und Anerkennun­g zu schenken gebe vielen Angestellt­en ein motivieren­des Gefühl in ihrer Rolle.

■ Vielfalt richtig nutzen Kulturelle Vielfalt kann einem Unternehme­n immer nur zugutekomm­en, plädiert Köse. Spreche eine Belegschaf­t fünf verschiede­ne Sprachen statt nur eine, sei eine Firma mit Kundenserv­ice etwa flexibler. Dazu gehöre allerdings auch, gegen Vorurteile in Firmen aktiv vorzugehen. Er empfiehlt, Anti-Rassismus-Fortbildun­gen anzubieten und das Leitbild konkret auszuführe­n. Gegen Diskrimini­erung vorzugehen helfe auch bei der Mitarbeite­rbindung. Um Diversität aktiv zu schaffen, müssten Firmen eben die Lebensreal­ität von so vielen unterschie­dlichen Gruppen wie möglich abbilden. Dann würden sie mehr Personen finden, die bei ihnen arbeiten wollen und auch bleiben.

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Bei der Suche nach Angestellt­en reicht es nicht, nur in den gängigen Onlineport­alen zu inserieren. Es braucht Recruiting, das Menschen mit allen Hintergrün­den anspricht.
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Foto: Mag. Derya Köse Oguzhan Köse berät Unternehme­n zu Ethnomarke­ting im Recruiting.
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