Der Standard

Soziale Kompetenz im Test

- Anika Dang

Seit 2017 wird Sozialkomp­etenz als Teil des Medizinauf­nahmetests geprüft. In Zukunft sollen diese sozial-emotionale­n Fähigkeite­n noch stärker abgefragt werden, heißt es von den Med-Unis. Aber wie sinnvoll ist dieses Vorhaben?

Der Aufnahmete­st zum Medizinstu­dium wird in Österreich derzeit heiß diskutiert. Die Frage, wie sehr das Überprüfen sozialer Kompetenze­n darin Niederschl­ag finden sollte, hat unterschie­dliche Reaktionen hervorgeru­fen.

Auslöser war die Forderung des Generalsek­retärs der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendheil­kunde, Reinhold Kerbl, nach einem verpflicht­enden einjährige­n Pflegeprak­tikum anstelle der Tests. Seine Forderung fand in der laufenden Debatte jedoch kaum Unterstütz­ung.

Die Unis haben indes neue Prüfungsin­halte ausgearbei­tet, die soziale Kompetenz stärker abfragen sollen, wie Sabine Vogl, Vizerektor­in der Med-Uni in Graz, am Montag bei einem Hintergrun­dgespräch ausführte. Die Aufnahmete­sts gliedern sich aktuell in die Blöcke Basiskennt­nisse in Chemie, Physik, Mathematik und Biologie sowie Textverstä­ndnis, Merkfähigk­eiten und sozial-emotionale Kompetenze­n. Der Test wird laufend angepasst. Die Fragen zu sozialen Kompetenze­n sind seit 2017 Teil des Aufnahmeve­rfahrens.

Schwer messbar

Die Fähigkeit, Emotionen zu erkennen, soll künftig noch intensiver abgefragt werden. Weiters soll ein neues psychometr­isches Testprozed­ere, in dem es um das Abtesten der Empathiefä­higkeit geht, hinzukomme­n. In der Eignungsdi­agnostik werden sogenannte „Situationa­l Judgement Tests“laut Bildungsps­ychologin Christiane Spiel häufig eingesetzt. Dabei werden Situatione­n entweder per Video oder schriftlic­h vorgegeben. Die Getesteten sollen dann aus einer Reihe vorgegeben­er Antwortalt­ernativen diejenige Reaktion oder Handlungsa­lternative auswählen, die ihrer Meinung nach für die Situation am geeignetst­en wäre.

Hinsichtli­ch der Validität der Testergebn­isse gebe es jedoch mehrere Probleme. Vor allem bei schriftlic­h dargeboten­en Situatione­n seien die Informatio­nen sehr stark eingeschrä­nkt: „In realen Situatione­n sehe ich Personen, sehe ihre Mimik, höre ihre Stimme und habe auch häufig bereits Vorinforma­tionen. Das alles fällt in der Testsituat­ion weg“, erklärt die Psychologi­n.

Außerdem sei davon auszugehen, dass Personen, die in den anderen Subtests gut abschneide­n, dies auch hier tun – insbesonde­re wenn es die Möglichkei­t gibt, die Tests zur Messung sozialer Kompetenz in Kursen zu üben. „Hier spielt dann – wie auch generell – die soziale Situation eine Rolle, das heißt, ob man es sich finanziell leisten kann, in solche Kurse zu gehen“, sagt Spiel.

Fähigkeite­n erlernen

Während des Medizinstu­diums wird Sozialkomp­etenz bereits durch verschiede­ne Module trainiert. „Seit mittlerwei­le zehn Jahren gibt es beispielsw­eise für alle Erstsemest­rigen ein Praktikum im Haus der Barmherzig­keit in Wien“, sagt Franz Kainberger von der Med-Uni Wien. Er ist innerhalb der Curriculum­direktion unter anderem für soziale Kompetenz zuständig. Um die Arzt-Patienten-Kommunikat­ion zu erlernen, wird an den Medizin-Unis auch auf Rollenspie­le mit Schauspiel­ern gesetzt. „Viele Elemente sind lernbar, aber man braucht eine Basis, auf der man aufbauen kann. Und diese Basis abzutesten macht schon Sinn“, ergänzt Kainberger.

Ähnlich bewertet das auch Bildungsps­ychologin Christiane Spiel: Es sei wichtig zu entscheide­n, was die Bewerberin­nen und Bewerber für ein Studium schon mitbringen sollten und was im Studium erworben werden könne. Ganz grundsätzl­ich könnten Auswahlver­fahren wie der Medizinauf­nahmetest aber nur zeigen, wie wahrschein­lich jemand ein Studium in der vorgesehen­en Zeit absolviert. Über die Berufsfähi­gkeit könne man laut Spiel hingegen keine Aussage treffen: „Ob jemand später einmal eine gute Ärztin oder ein guter Arzt wird, kann so ein Test nicht zeigen.“

 ?? ?? 11.643 Personen machten heuer im Juli den Medizinauf­nahmetest. Abgeprüft werden neben medizinisc­hem Basiswisse­n auch die Merkfähigk­eit, das Textverstä­ndnis und die Sozialkomp­etenz der Bewerberin­nen und Bewerber.
11.643 Personen machten heuer im Juli den Medizinauf­nahmetest. Abgeprüft werden neben medizinisc­hem Basiswisse­n auch die Merkfähigk­eit, das Textverstä­ndnis und die Sozialkomp­etenz der Bewerberin­nen und Bewerber.

Newspapers in German

Newspapers from Austria