Der Standard

Als das „Aber nicht“gestrichen wurde

Das 2:0 im Testspiel gegen Italien hat Österreich­s Teamchef Ralf Rangnick glücklich gemacht. Es war die perfekte Orientieru­ngshilfe für den Fußball der Zukunft.

- Christian Hackl

Man soll sich natürlich nicht am Unglück anderer erbauen, aber die italienisc­hen Pressestim­men am Tag nach dem 0:2 gegen Österreich waren durchaus lesenswert. Corriere dello Sport schrieb: „Österreich erteilt den Azzurri zwei Ohrfeigen, und es hätte noch schlimmer enden können. Konfus und zögerlich: Die Squadra ist nur noch der Schatten ihrer selbst. Österreich ist zwar nicht das Wunderteam der 1930er-Jahre, die Rangnick-Truppe glänzt aber mit Arnautovic, der Stärke, Form und Führungsqu­alitäten beweist.“La Repubblica: „Italiens Traurigkei­t wegen des Ausschluss­es aus der WM in Katar wächst noch mehr unter den Hieben Österreich­s, das Italien demütigt.“Da aller erfreulich­en Dinge drei sind, sei noch Il Messaggero erwähnt: „Die glanzlosen Italiener wurden geohrfeigt.“

Teamchef Ralf Rangnick hält von Watschen wenig. Also genoss er den vorzüglich­en Sieg, der kaum Wünsche offenließ: „Was wir die ersten 70 Minuten gespielt haben, war schon ein Fußball, der dem sehr nahe kommt, wie ich mir das auch in Zukunft vorstelle. Das Zuschauen hat mir großen Spaß gemacht.“Der 64-jährige Deutsche gilt als Perfektion­ist. „Es war ein guter Schritt in die richtige Richtung. Daran müssen wir uns immer wieder orientiere­n. Im Idealfall über 90 Minuten.“

Das Länderspie­ljahr 2022 ist Geschichte, die Bilanz negativ, allerdings täuscht sie etwas. Franco Foda hatte noch ein 2:2 gegen Schottland und das bittere 1:2 im WM-Playoff in Wales zu verantwort­en, danach übernahm Rangnick. Drei Siege, ein Remis, vier Niederlage­n. Wobei, abgesehen von Andorra, ausschließ­lich gegen ranghöhere Länder gekickt wurde. Zweimal Frankreich, zweimal Kroatien, zweimal Dänemark. Der Abstieg aus der Eliteklass­e der Nations League konnte trotz des 3:0 zum Auftakt bei den Kroanick ten nicht verhindert werden. „Es fehlten Kleinigkei­ten, es hätten ein paar Punkte mehr sein können.“

Vor dem Italien-Match griff Rangnick in die Psycho-Kiste. Bei der Abschlussb­esprechung tat er kund, er wolle nach Abpfiff Folgendes nicht hören. Man habe zwar gut gespielt, aber nicht gewonnen. „Das Wort ,aber‘ wurde gestrichen.“Das Wort ,nicht‘ ebenfalls.

Der Teamchef ergötzte sich an der Laufbereit­schaft, der Intensität, am Engagement. „Was die Einstellun­g betrifft, mache ich mir überhaupt keine Sorgen.“Sie haben das System kapiert, frönen dem proaktiven Fußball, der von Red Bull und Rang

kultiviert wurde. „Viele Spieler haben den Stil in ihrer DNA, das erleichter­t das Ganze.“Gegen Italien gab es keinen Schwachpun­kt, David Alaba, Marko Arnautovic und Nicolas Seiwald ragten trotzdem etwas heraus. Junior Adamu (21), Stürmer bei Meister Salzburg (ideale DNA), bekam ein Sonderlob. „Er hat ein richtig gutes Spiel gemacht.“Eine Steigerung folgte für Arnautovic: „Viel besser kannst du nicht spielen, auch gegen den Ball.“

Überangebo­t

Auf gewissen Positionen herrscht ein Überangebo­t, speziell in der Innenverte­idigung. Alaba ist selbstvers­tändlich gesetzt. Gegen Italien ließ Nebenmann Philipp Lienhart nichts abrennen. Er sprang für den verletzten Kevin Danso ein. Eine kleine Baustelle bleibt die linke Abwehrseit­e, wobei sich Max Wöber langsam daran gewöhnt. Die Tormannfra­ge lässt Rangnick offen, aber es gibt kaum Argumente, die gegen Heinz Lindner sprechen.

Jetzt ist Pause. Um nicht den Kontakt zu verlieren, finden ab Jänner regelmäßig­e Videokonfe­renzen satt. „Nicht immer alle zusammen, aber in Gruppen werden wir taktische Dinge besprechen und Videos durchgehen.“

Wo viel Licht ist, ist auch Schatten. Quasi ein Naturgeset­z. Gegen Italien verloren sich nur 18.000 Fans im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Die Ansetzung, ein Sonntag Ende November um 20.45 Uhr, fiel unter die Rubrik Wahnwitz. Dafür sind TV-Verträge verantwort­lich, vielleicht sollte der ÖFB daran schrauben. Denn die Basis sind immer noch die Menschen vor Ort. Rangnick: „Für die Qualifikat­ion wünsche ich schon, dass wir in Stadien spielen, die ausverkauf­t sind. Damit der Funke überspring­t.“Die EMQuali beginnt am 24. März mit dem Heimspiel gegen Aserbaidsc­han. Drei Tage später wird Estland begrüßt. Diese rangniedri­geren Gegner sollten geohrfeigt werden. Wie Italien. Austragung­sort wird wohl das neue Linzer Stadion sein. Nicht das ungemütlic­he Happel.

Rangnick reiste am Montag nach Pula, um bis Freitag mit den Jahrgängen 2000 bis 2005 zu trainieren. „Wir denken voraus. Die EM 2024 in Deutschlan­d und die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko sind Wettbewerb­e, wo was los sein wird. Mit vielen, echten Fußballfan­s. Da muss man keine Zuschauer einkaufen wie jetzt in Katar.“

Was Rangnick noch sagte: „Frohe Weihnachte­n.“

 ?? ?? Teamchef Ralf Rangnick herzt den überragend­en Marko Arnautovic nach einem nahezu perfekten Spiel zum Jahresabsc­hluss. Man freut sich nun auf ein Wiedersehe­n im März.
Teamchef Ralf Rangnick herzt den überragend­en Marko Arnautovic nach einem nahezu perfekten Spiel zum Jahresabsc­hluss. Man freut sich nun auf ein Wiedersehe­n im März.

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