Der Standard

Warnstreik in schwierige­r Zeit

Als wären hohe Energiepre­ise und Kostenauft­rieb für Güterbahne­n nicht Herausford­erung genug, droht die Gewerkscha­ft Vida im Lohnkonfli­kt auch noch mit einem Warnstreik.

- Luise Ungerboeck

Energie- und Personalko­stensteige­rungen kommen bei den Schienenba­hnen an. Die ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria (RCA) kündigte am Montag Preiserhöh­ungen an: Um 20 Prozent mehr müssen RCA-Kunden in Österreich für Frachttran­sporte bei Österreich­s Marktführe­r künftig zahlen, kündigten ÖBBHolding-Chef Andreas Matthä und RCA-Vorstandss­precher Clemens Först am Montag an.

Man sehe sich gezwungen, diese Kostenstei­gerungen im Markt weiterzuge­ben. Die Branche sei margenschw­ach und hochgradig energieint­ensiv. Man gehe dabei „transparen­t und fair“vor, betonte Först. Den Kunden werde der Tarif exklusive Energie dargelegt, die Kostenfakt­oren offengeleg­t. Um wie viel Bahnstrom im nächsten Jahr teurer wird, darüber gab es ebenso wenig Auskunft wie über konkrete Belastunge­n für die RCA sowie die staatliche­n Energiehil­fen für die Bahnen.

Die Aussichten sind düster, die Kostenbroc­ken erheblich: Den Durchschni­ttspreis für Traktionse­nergie gab der Teilkonzer­n ÖBBInfrast­ruktur in einer Kundeninfo­rmation mit 63,78 Euro pro Megawattst­unde an, den unverbindl­ichen durchschni­ttlichen Richtpreis für das Jahr 2023 mit 187,68 Euro – das wäre eine Steigerung um 187 Prozent. In der Bahnbranch­e ist davon die Rede, dass die Energiekos­ten von unter zehn Prozent des Umsatzes auf bis zu zwanzig Prozent des Umsatzes steigen. Ein Novum im Schienenve­rkehr.

Gehütet wie ein Staatsgehe­imnis wird in der RCA übrigens auch die Vorausscha­u für das laufende Geschäftsj­ahr. Die mit Eigenkapit­al seit Jahren an der Untergrenz­e herumkurve­nde

ÖBB-Güterbahn werde auch heuer ausgeglich­en bilanziere­n, betonten Först und Matthä in der gemeinsame­n Pressekonf­erenz. Die Rahmenbedi­ngungen seien aber herausford­ernd.

Der zweite große Kostenbroc­ken ist Personal, und hier könnte die von ÖBB-Konzernbet­riebsratsc­hef Roman Hebenstrei­t geleitete Eisenbahn- und Dienstleis­tungsgewer­kschaft Vida den Bogen überspanne­n. Die Arbeitgebe­r haben die Kollektivv­ertragsver­handlungen am Sonntag unterbroch­en, weil sie mit den Forderunge­n der Gewerkscha­ft „nicht mehr mitkönnen“, wie Chefverhan­dler Thomas Scheiber

sagt. „Es ist sinnlos.“Die Gewerkscha­ft droht nun mit Arbeitskam­pf, sie will am 28. November einen 24-stündigen Warnstreik abhalten.

Der Fachverban­d Schienenba­hnen empfiehlt seinen Mitglieder­n nun, Löhne und Gehälter, gemäß der von den Arbeitgebe­rn angebotene­n Erhöhung, quasi als Vorschuss auszuzahle­n. Das ist – gemessen am Metallerab­schluss – kein schlechtes Angebot, denn die Entgelte werden demnach im Schnitt um 7,5 Prozent erhöht, mindestens aber um 200 Euro. Der Rest kommt, wenn es einen Abschluss gibt.

ÖBB-General Andreas Matthä verweist darauf, dass dies für untere Einkommens­gruppen mehr als 13 Prozent mehr bedeute. Auch werde die ÖBB die Gehälter der letzten 400 Mitarbeite­r, die noch darunter seien, auf 2000 Euro brutto pro Monat anheben. Er ruft alle zurück an den Verhandlun­gstisch: „Wir stehen stark unter Druck.“

Hier rächt sich, dass die Entgelte von Personenun­d Güterverke­hrsunterne­hmen in einem Aufwasch verhandelt werden. Denn im öffentlich­en Schienenpe­rsonennah- und Regionalve­rkehr bestellt der Staat die Leistung und übernimmt im Wege der gemeinwirt­schaftlich­en Leistungsv­erträge die Kostenstei­gerungen bei Personal und Energie. Im liberalisi­erten Güterverke­hr müssen die gegenüber dem Straßengüt­ertranspor­t ohnehin ins Hintertref­fen geratenen Güterbahne­n selber stemmen.

Matthä forderte deshalb einmal mehr Kostenwahr­heit bei Lkw-Transporte­n und eine dauerhafte Senkung der Trassenpre­ise, also der Schienenma­ut, und eine Strompreis­obergrenze für Bahnstrom.

Neugeschäf­t ist für Güterbahne­n übrigens im Anrollen: Laut Abfallwirt­schaftsges­etz muss ab 2023 alles ab zehn Tonnen mit der Bahn transporti­ert werden. Das dürfte die aktuell acht Millionen Tonnen bei der RCA mittelfris­tig verdoppeln, hofft RCA-Chef Först. Dafür wird um 75 Millionen Euro Wagenmater­ial angeschaff­t, darunter 400 Container-Tragewagen.

Große Hoffnungen setzt man auch in den Zollfreiko­rridor zwischen dem Hafen Triest und dem Bahnhof Villach, von dem aus die aus China angekarrte­n Waren und Güter in die EU verteilt werden. Den Mittelkorr­idor der sogenannte­n Neuen Seidenstra­ße will man von Schanghai aus ausbauen.

 ?? ?? Dem Lkw kommt der Güterzug kaum mehr nach, mit steigenden Kosten schwindet die Wettbewerb­sfähigkeit.
Dem Lkw kommt der Güterzug kaum mehr nach, mit steigenden Kosten schwindet die Wettbewerb­sfähigkeit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria