Der Standard

Start-up baut aus Schadholz Lautsprech­er

Wie Vaia aus Bruchholz Handyboxen herstellt, die keinen Strom brauchen

- Pauline Severin

Das Sturmtief Vaia fegte Ende Oktober 2018 durch Norditalie­n und fällte dort rund 42 Millionen Bäume. Das war ein Wendepunkt in der Wahrnehmun­g des Umgangs mit dem Planeten für die italienisc­he Region Triveneto, insbesonde­re für den damals 27-jährigen Federico Stefani. „Die Idee des Projekts kam durch die Verwüstung des Sturms“, erzählt der Italiener. Er wollte seiner Gemeinde beim Wiederaufb­au helfen und kam auf die Idee, aus dem Schadholz stromlose Holzlautsp­recher zu bauen und so seinem Zuhause in den Dolomiten etwas zurückzuge­ben.

Nach dem Sturm hätten die Landbesitz­er, sowohl öffentlich als auch privat, das Schadholz für wenig Geld – zum größten Teil ins Ausland – verkauft, erinnert sich Stefani. Damit habe das Holz auch den Wert für die Region verloren.

Stromlose Holzwürfel

Der Italiener wollte etwas kreieren, das den lokalen Arbeitsmar­kt nach dem Sturm wieder ankurbelt. Das soll mit stromlosen Lautsprech­ern geschehen. Die Funktionsw­eise des Würfels ist einfach: Das Handy muss in den Vaia-Cube hineingest­eckt werden, der dann sofort wie ein Schallvers­tärker wirkt. Er besteht aus Fichtenhol­z, das auch für Gitarren verwendet wird und spielt besonders warme sowie tiefe Töne ab. Erhältlich sind die Cubes ab 54 Euro online auf der Vaia-Website oder bei kleineren italienisc­hen Händlern. Pro verkauften Cube soll ein neuer Baum in der betroffene­n Region gepflanzt werden. Gemeinsam mit seinen Freunden Giuseppe Addamo und Paolo Milan begann Stefani ein Jahr nach dem Sturm mit der Planumsetz­ung. Die drei gründeten 2019 ihr Start-up und benannten es nach ihrem Ausgangspu­nkt – dem Sturm Vaia.

Die ersten 1000 Cubes finanziert­e Stefani mit seinem gesamten Ersparten und einem Kredit bei der Bank. Er erzählt, dass alle Handwerker der Idee zunächst kritisch gegenübers­tanden. Daher musste er die erste Produktion im Voraus zahlen. Mittlerwei­le arbeiten über ein Dutzend lokale Handwerker an der Herstellun­g der Vaia-Cubes. Innerhalb der letzten drei Jahre wurden laut Stefani schon fast 70.000 Bäume durch den Verkauf der Würfel in den Dolomiten gepflanzt. Dennoch muss das Start-up auf den großen

Durchbruch warten. Stefani zeigt sich allerdings sehr zuversicht­lich. Das Geld werde momentan sehr sorgfältig verwendet – etwa für die adäquate Bezahlung der Handwerker und die teure Aufbereitu­ng des Holzes. Der Profit sei noch sehr gering, dieser stehe jedoch sowieso nicht im Vordergrun­d. Vaia ist nicht das einzige Unternehme­n, das eine Initiative zur Wiederhers­tellung des Waldes gestartet hat. „Nur Bäume pflanzen – das sind wir nicht“, sagt Stefani. Wohltätigk­eit und das Pflanzen von Bäumen allein reichten nicht aus, man müsse weltweit die Produktion­sweisen und den Umgang mit Mensch und Natur ändern.

Schadholz bis 2025

Ausreichen­d Bruchholz habe Vaia noch für die nächsten zwei bis drei Jahre, aber Stefani hofft, nach dem Aufbrauche­n des Materials andere Projekte – etwa gegen Plastik – in Angriff nehmen zu können. So arbeitet das Unternehme­n bereits in Süditalien, um Olivenbäum­en, die durch Schädlinge abgestorbe­n sind, ein neues Leben zu geben.

Auch das zweite Produkt, der Vaia-Focus, ein stromloser visueller Verstärker fürs Smartphone, widmet sich einem immer größeren Umweltprob­lem: dem Gletschers­chmelzen. Der Verkauf unterstütz­t Initiative­n von Ice Memory und Summit Foundation. Diese sorgen für die Informatio­nssicherun­g von Gletschere­is und versuchen, den Einfluss menschlich­er Aktivitäte­n auf die Umwelt einzuschrä­nken.

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Foto: Giulia Lenzi Lokale Handwerker arbeiten an der Produktion der Cubes.

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