Der Standard

Wer zahlt für die Schäden?

Auf der 27. UN-Klimakonfe­renz im ägyptische­n Sharm el-Sheikh wurde ein Hilfsfonds für Länder beschlosse­n, die von Klimafolge­n besonders betroffen sind. Wichtige Details bleiben jedoch offen.

- Florian Koch, Lisa Breit KLIMAKONFE­RENZ

Die UN-Klimakonfe­renz COP 27 in Sharm el-Sheikh endete am frühen Sonntagmor­gen mit gemischten Gefühlen. Das Abschlussd­okument, über das Vertreteri­nnen und Vertreter der Staaten am Wochenende stundenlan­g verhandelt hatten, ließ viele Teilnehmer enttäuscht, andere optimistis­ch zurück.

Enttäuschu­ng herrscht vor allem, weil der Abschlusst­ext keinen verbindlic­hen Pfad für die Staaten enthält, ihre nationalen Beiträge zum Klimaschut­z zu verstärken. Zudem blieb auch der Ausstieg aus fossilen Energien wässrig. Statt Erdöl und Erdgas zu adressiere­n, wiederholt­e der Text nur, worauf sich die Staaten schon vor einem Jahr in Glasgow geeinigt hatten: die Nutzung von Kohle „herunterfa­hren“, „ineffizien­te“Subvention­en für fossile Brennstoff­e stoppen. Für den globalen Klimaschut­z hat die Konferenz aus Sicht vieler Delegierte­r, Aktivistin­nen und Fachleute daher nur wenig gebracht.

Ein Durchbruch sorgte am Wochenende aber trotzdem für Jubel: Nach zähen Verhandlun­gen einigten sich die Staaten auf einen Entschädig­ungsfonds, der „besonders vulnerable Staaten“für Schäden und Verluste entschädig­t, die die Erderhitzu­ng schon heute verursacht – etwa durch Stürme, Überschwem­mungen

oder Dürren. Vulnerable Länder im Globalen Süden fordern einen solchen Fonds schon seit knapp 30 Jahren. Seine Einrichtun­g blieb aber stets ein Streitthem­a bei den Konferenze­n.

Geldtopf soll 2023 stehen

Mit dem Fonds wurde eine „wichtige Lücke geschlosse­n“, sagt Reinhard Mechler, Forscher am Internatio­nal Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) am Montag im Rahmen einer Pressekonf­erenz. Schon bis zur nächsten Klimakonfe­renz, die 2023 in Dubai stattfinde­n soll, soll der Geldtopf stehen

– ein straffer Zeitplan. „Im kommenden Jahr werden die Expertinne­n und Experten aus dem Komitee hart arbeiten müssen“, sagt Mechler.

Noch bleiben viele Fragen offen, etwa: Welche Länder sind „besonders“betroffen? Welche sollen Unterstütz­ung bekommen? Was sind überhaupt die genauen Bedürfniss­e dieser Länder? Wie schnell kann das Geld ausgezahlt werden?

Eine Kernfrage, die noch beantworte­t werden muss, ist laut Mechler auch die Finanzieru­ng des Fonds. Wer in den Fonds einzahlen soll, wird auch nach der Konferenz ein Streitpunk­t

bleiben. Fraglich sei, ob neben den großen Industries­taaten auch entwicklun­gsstarke Staaten wie China, Indien und Saudi-Arabien in den Fonds einzahlen müssen. Vor allem die EU und die USA drängten bei der Konferenz darauf, dass etwa China künftig Geld in den Fonds einzahlt – schließlic­h gehört das Land zu den größten Emittenten, sagt Mechler.

Auch innovative Finanzieru­ngsinstrum­ente würden notwendig sein und würden auch schon diskutiert – etwa ein Schuldener­lass für Entwicklun­gsländer nach Katastroph­en, eine globale CO2-Steuer und eine Flugverkeh­rsabgabe. Zudem werde gefordert, dass sich führende Banken noch stärker zum Klimaschut­z, aber auch zur Klimanothi­lfe bekennen sollen. Fachleute sehen den Fonds aber nicht nur als Erfolg. „Verluste sind nicht nur materielle Verluste, sondern auch Verluste von Menschenle­ben. Die lassen sich nicht mit Geld wiedergutm­achen“, sagt Renate Christ, langjährig­e Leiterin des Sekretaria­ts des Weltklimar­ats (IPCC), bei einer Pressekonf­erenz. Staaten müssten sich deshalb anstrengen, ihre Emissionen so zu reduzieren, um das 1,5Grad-Ziel von Paris noch zu erreichen. Doch gerade dieses Ziel halten viele für unrealisti­sch.

„Das 1,5-Grad-Ziel ist wieder einmal nur auf dem Papier verteidigt und ‚gerettet‘ worden“, sagt etwa Oliver Green vom Deutschen Institut für Internatio­nale Politik und Sicherheit in Berlin. „Da die globalen Emissionen immer noch nicht sinken, wird sich ein Überschrei­ten der 1,5-Grad-Marke kaum noch vermeiden lassen.“Derzeit rechnet der Weltklimar­at IPCC damit, dass diese Schwelle in den 2030er-Jahren überschrit­ten wird.

1,5-Grad-Ziel schafft Druck

Auch Christ betont, dass massive Anstrengun­gen notwendig sind, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. „Mit jedem Jahr wird es schwierige­r und unrealisti­scher“, sagt sie.

Trotzdem sei es wichtig gewesen, das 1,5Grad-Ziel zu erhalten. Sich stattdesse­n auf zwei Grad zu konzentrie­ren – wie von manchen Ländern gefordert – reduziere den Handlungsd­ruck und verhindere wirksame und schnelle Maßnahmen beim Klimaschut­z.

Ob diese schnell kommen, bleibt fraglich. Bis zur nächsten Konferenz sollen die Staaten nun ihre Klimaschut­zpläne nachbesser­n. Bis Dubai zur COP 28 lädt, haben sie viel zu tun.

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Foto: AP / Fareed Khan Der Fonds könnte Länder wie Pakistan, die verstärkt unter Überschwem­mungen und Hitzewelle­n leiden, entschädig­en.

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