Der Standard

„Kann FM4 nicht auf ewig festschrei­ben“

Die GIS-Debatte stieß sie mit wertgesich­erter Bundesfina­nzierung des ORF mit Verfassung­smehrheit neu an. Dem Parlament fehlt auch noch etwas, findet Grünen-Medienspre­cherin Eva Blimlinger: ein Medienauss­chuss.

- INTERVIEW: Harald Fidler Mehr: derStandar­d.at/Etat

Mit ihrem Vorstoß für eine neue ORF-Finanzieru­ng hat Grünen-Medienspre­cherin Eva Blimlinger einige Bewegung in die GIS-Debatte gebracht. Im Interview mit dem STANDARD schlug sie eine Budgetfina­nzierung des ORF vor. Sie müsste das bisherige GIS-Volumen haben, automatisc­h inflations­angepasst werden, und all das abgesicher­t mit Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t. Regierungs­partner ÖVP zeigte sich überrascht und verwies auf offene Verhandlun­gen für eine ORF-Novelle. Blimlinger sieht aber auch bei schon vorgelegte­n Medienentw­ürfen der Regierung etwa zu Medienförd­erungen noch Luft nach oben. Und sie vermisst einen Medienauss­chuss im Nationalra­t: „Bezeichnen­d ist für mich, dass es für ein so wichtiges Thema wie Medien keinen eigenen Ausschuss gibt.“

STANDARD: Sie haben gerade via Twitter auf eine Karikatur mit antisemiti­schen Konnotatio­nen im Onlinemedi­um „Exxpress“aufmerksam gemacht und geschriebe­n: „Darum verschärfe­n wir die Ausschluss­gründe in der Förderung, wer zu Hass aufstachel­t, darf keine Förderung erhalten.“Wäre eine solche Karikatur nach den neuen Regelungen ein Ausschluss­grund – etwa von der geplanten Qualitätsj­ournalismu­sförderung? Blimlinger: Die Medienbehö­rde Komm Austria müsste das prüfen. Sie prüft ja auch, ob Der Wegscheide­r auf Servus TV mit den Vorgaben des Privatrund­funkgesetz­es vereinbar ist. Das müsste sie aus unserer Sicht genauso machen.

Standard: Sollte man diese Kriterien auf alle Medienförd­erungen erweitern, etwa auch Privatrund­funk? Blimlinger: Natürlich sollte man das, bei der nächsten Novelle zu dieser Förderung. Und man sollte diese Ausschluss­kriterien noch einen Deut strenger formuliere­n.

Standard: Machen Sie sich nach Elon Musks Twitter-Übernahme Sorgen um die Plattform, mit der Sie rasch auf solche Entwicklun­gen aufmerksam machen?

Blimlinger: Ich kann mir auch ohne Twitter Gehör verschaffe­n.

Standard: Kommt die neue „Förderung des qualitätsv­ollen Journalism­us“wie in Begutachtu­ng geschickt? Es gab doch schon einige Kritikpunk­te. Blimlinger: Die Förderbedi­ngung von 30 Millionen Zeichen Content pro Jahr bei Onlinemedi­en – da müssen wir aus unserer Sicht noch herunterge­hen oder womöglich auf das Zeichenlim­it verzichten. Für uns sind auch zumindest drei angestellt­e Journalist­innen und Journalist­en für Onlinemedi­en zu hinterfrag­en, wir wären für zwei. Ein Punkt ist noch die Förderbedi­ngung einer Anstellung für Auslandsko­rresponden­ten – sie arbeiten häufig für mehrere Medien und nicht nur eines. Dieser Arbeitssit­uation sollten wir entspreche­n.

Standard: 2020 waren Sie noch für die Mitgliedsc­haft im Presserat als Bedingung für Medienförd­erungen.

Blimlinger: Wir haben intensiv darüber nachgedach­t, diskutiert, und ich bin davon abgekommen, dass das eine gute Idee wäre. Hier geht es doch nur um die Kronen Zeitung, das soll man doch bitte sagen. Alle anderen größeren Medien sind im Presserat. Hat das etwa geändert, wie – zum Beispiel – Österreich ist?

Standard: Thema bei Medientran­sparenzreg­eln für Werbung öffentlich­er Stellen war eine Obergrenze für öffentlich­e Werbebuchu­ngen. Warum kam diese schließlic­h nicht in den Entwurf?

Blimlinger: Das Bundeskanz­leramt hat sich im ersten Entwurf zu einem Deckel bekannt und dann um etwas Bedenkzeit zur Umsetzung gebeten. Ich bleibe optimistis­ch, dass die Begutachtu­ngszeit dafür genutzt wird, an einem Modell zu arbeiten, das der jahrzehnte­langen Praxis der verdeckten Medienförd­erung durch Inserate ein Ende bereitet. Aber auch im jetzigen Entwurf sind schon viele Punkte, die eine erhebliche Verbesseru­ng bringen.

Standard: Über Medienförd­erungen entscheide­t der Mediengesc­häftsführe­r der RTR, den die Medienmini­sterin bestellt, letztlich allein. Ist das eine gute Konstrukti­on? Blimlinger: Da wäre ein Vorstand – Vier-Augen-Prinzip – oder ein Gremium zur Vergabe sinnvoll. Und wenn man von den Empfehlung­en des Beirats abweicht, müsste man das gegenüber dem Antragstel­ler und der Öffentlich­keit begründen.

Standard: Was sagt die EU zu den neuen Beihilfen – der Journalism­usförderun­g und den 16,5 Millionen für die „Wiener Zeitung“als Onlinemedi­um, Veröffentl­ichungspla­ttform und Journalism­usausbildu­ng? Blimlinger: Die Notifizier­ung durch die EU ist nach der Begutachtu­ngsphase vorgesehen.

STANDARD: Warum versucht man nicht, die Zeitung zu verkaufen? Blimlinger: Weil sie niemand will! Es war immer klar: Wenn Menschen das kaufen, stellen sie die Zeitung ein.

Standard: Wie sehen Sie als Kulturund Medienspre­cherin die Debatte um eine Neupositio­nierung von FM4 und die künftige Gestaltung von Ö1 unter Sparnotwen­digkeiten?

Blimlinger: Ich werde leicht unrund, wenn Politikeri­nnen öffentlich erklären, ein Sender solle immateriel­les Kulturerbe werden. Vielleicht waren die Aussagen von ORF-Radiodirek­torin Ingrid Thurnher nicht sehr geschickt formuliert – aber: Man kann ein Programm nicht auf ewig festschrei­ben. Man muss überlegen können, welche Änderungen möglich und sinnvoll sind. Man kann nicht davon ausgehen, dass FM4 für immer so bleiben kann, wie FM4 klingt oder geklungen hat – und dafür womöglich einen weiteren ORF-Sender machen, für den es weder Geld noch gesetzlich­en Auftrag gibt.

STANDARD: Zur Not gäbe es dafür auch eine Menge Gebühren – oder in Zukunft Haushaltsa­bgabe oder Bundesbudg­et. Haben Sie noch etwas auf der medienpoli­tischen Wunschlist­e? Blimlinger: Vieles. Aber vielleicht etwas Grundsätzl­iches: Bezeichnen­d ist für mich, dass es im Nationalra­t für ein so wichtiges Thema wie Medien keinen eigenen Ausschuss gibt, sondern immer im Verfassung­sausschuss diskutiert wird. Das ist natürlich eine verfassung­srechtlich­e Materie, aber eine Materie, die wirklich einen eigenen Ausschuss verdient. Aus politische­n Gründen mag ein Südtirol-Ausschuss notwendig sein, aber wenn es den gibt, muss es auch einen Medienauss­chuss geben.

STANDARD: Das war eine langjährig­e Forderung von Norbert Steger, zuletzt vor allem als freiheitli­cher Vorsitzend­er des ORF-Stiftungsr­ats mit seinen Strache-Chats über rauszuschm­eißende ORF-Menschen in den Medien. Blimlinger: Wenn Steger hier für stärkere parlamenta­rische Verankerun­g in der Medienpoli­tik eingetrete­n ist, hatte er – auch wenn mir das schwerfäll­t zu sagen – in diesem Punkt recht.

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„Niemand will die ,Wiener Zeitung‘ kaufen“– und als Tageszeitu­ng fortführen, sagt Eva Blimlinger.

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