Der Standard

Der Niedergang der ÖVP

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Es gingen in den letzten Tagen Bilder um die Welt, die den österreich­ischen Bundeskanz­ler Karl Nehammer in Belgrad zeigen, wie er, der serbische Präsident Aleksandar Vučić und der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán die Hände zum Schwur aufeinande­rlegen. Solche Symbolik bedeutet vor allem eine Ohrfeige für diejenigen Serben und Ungarn, welche die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufgegeben haben.

Dass aber auch viele Österreich­er diese Bilder über die gemeinsame­n Angriffe der „drei BalkanMusk­etiere“(Copyright Hans Rauscher, STANDARD, 18. 11.) gegen die EU schauderha­ft finden, ist verständli­ch. Nehammers Ausbruch in brüderlich­er und symbolträc­htiger Eintracht mit den beiden Autokraten gegen den „Asyltouris­mus“ruft den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder in Erinnerung, der sich nach einer ähnlichen Wortwahl im Juli 2018 angesichts der allgemeine­n Empörung sofort entschuldi­gt und erklärt hatte, dieses Wort nicht mehr zu verwenden. B emerkenswe­rt ist auch die Heuchelei: Jeder dritte Asylwerber (Pakistanis, Inder, Tunesier etc.) in Österreich kam zuerst visafrei nach Serbien und wurde dann durch das Orbán-Regime nach Österreich durchgewin­kt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass drei von vier solcher Asylwerber aus Österreich weiterreis­en. Dass Vučić jetzt die Vereinbaru­ngen mit Indien und Tunesien kündigen will, ist in erster Linie die Folge der Drohungen aus Brüssel, die 2009 abgeschaff­te Visumspfli­cht für serbische Staatsbürg­er wiedereinz­uführen, und nicht der versproche­nen österreich­ischen Finanzhilf­e.

FPÖ-Chef Herbert Kickl kann sich zu Recht als Sieger in der Migrantend­ebatte gegen die ÖVP betrachten. Als er im Jänner 2019 einen Vorstoß gegen die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion (EMRK) unternomme­n hatte, gab es noch scharfe ÖVP-Proteste. Die von der ÖVP entzündete sinnlose und chaotische Asyldebatt­e (die EMRK wurde von 46 Staaten unterzeich­net) treibt die Wähler massenhaft in Richtung der FPÖ. Mit Hinweis auf Orbáns Erfolg gegenüber der EU sei es Kickl gleich, „ob wir europäisch­es Recht brechen“(oe24.tv).

Statt das noch von der ÖVPInnenmi­nisterin Johanna MiklLeitne­r eingeführt­e Durchgriff­srecht bei der Schaffung von Asylquarti­eren durchzuset­zen, glänzt der seit einem Jahr als hilfloser Innenminis­ter amtierende Gerhard Karner auch mit Angriffen gegen Brüssel und den grünen Koalitions­partner.

Mit dem internatio­nalen und innenpolit­ischen Aufkochen des Asylthemas vor dem Hintergrun­d des Trümmerfel­des der vom Kurz-Regime zurückgela­ssenen Korruption gefährdet die gegenwärti­ge Führung der Bundespart­ei die Existenz dieser großen bürgerlich­en Sammelpart­ei. Dass Nehammer nun nach Facebook, Instagram und Twitter auch auf Tiktok präsent ist, hilft nicht viel …

S olange die Linke die schiefgela­ufene Integratio­n und den hohen Anteil der Ausländer an der Zahl der Verurteilt­en beziehungs­weise Neuinhafti­erten totschweig­t und die liberalen Kräfte keine brauchbare­n Gegenkonze­pte ausarbeite­n, könnte die Inkompeten­z der Regierung, auch im Hinblick auf die erwartete Steigerung der Flüchtling­e aus der Ukraine, sogar eine nationale Krisensitu­ation heraufbesc­hwören.

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