Der Standard

Unliebsame Extrasekun­de mit Ablaufdatu­m

-

Erinnern Sie sich an den Jahreswech­sel 2016/17? Falls Sie gerne pünktlich zu Neujahr Walzer tanzen, mussten Sie am 31. Dezember 2016 eine Sekunde länger darauf warten. Denn auf 23 Uhr 59 Minuten und 59 Sekunden folgte nicht etwa Mitternach­t, sondern eine Schaltseku­nde.

Es war das 27. und bisher letzte Mal, dass dieser vor genau 50 Jahren erstmals eingeführt­e Trick die koordinier­te Weltzeit und die Sonnenzeit wieder im Einklang brachte.

Wie vergangene Woche auf der Generalkon­ferenz des Internatio­nalen Büros für Maß und Gewicht (IBMG) in Paris entschiede­n wurde, soll die Schaltseku­nde 2035 wieder abgeschaff­t werden. Die unregelmäß­ig verordnete Zusatzseku­nde führt zwar kaum zu Jetlags, im digitalen Zeitalter aber zunehmend zu anderen Problemen.

Hinzu kommt, dass die Rotationsd­auer der Erde ein recht komplexes und unstetes Phänomen ist: Zwar existieren langfristi­ge Trends, jedoch kommt es immer wieder zu Anomalien. Deshalb ist die Schaltseku­nde nicht über Jahrzehnte im Voraus planbar.

Ein Tag auf unserem Planeten dauert bekanntlic­h 24 Stunden beziehungs­weise 86.400 Sekunden – so lange braucht die Erde für eine Umdrehung. Das stimmt allerdings nicht ganz: Tatsächlic­h ist die Rotationsg­eschwindig­keit der Erde nicht konstant, sie nimmt im Lauf der Zeit ab. Das liegt vor allem an der Gezeitenkr­aft des Mondes, in geringerem Maße auch an anderen Faktoren.

Für Satelliten­navigation­ssysteme und Computerne­tzwerke, die global eng miteinande­r verflochte­n sind, ist eine hochpräzis­e abgestimmt­e Zeitsteuer­ung essenziell. Schaltseku­nden, deren Einführung üblicherwe­ise erst ein halbes Jahr vor Einführung bekanntgeg­eben wird, sind dabei ein riskantes und aufwendige­s Ärgernis.

Im schlimmste­n Fall könnte es dabei zu Ausfällen globaler Systeme kommen, die etwa für die Telekommun­ikation, Energieübe­rtragung und Finanztran­saktionen unerlässli­ch sind. Seit Jahren wächst deshalb der Druck, die unliebsame Extrasekun­de abzuschaff­en.

Auch in metrologis­chen Fachkreise­n wird schon lange darüber debattiert, statt häufigerer Extrasekun­den nur alle paar Jahrzehnte eine Schaltminu­te einzuführe­n. Nun sieht es ganz danach aus, als hätte die letzte Stunde der Schaltseku­nde geschlagen. Die Verhandlun­gen darüber, wie astronomis­che Zeit und Weltzeit künftig miteinande­r in Einklang gebracht werden können, sind eröffnet. Jetlag-Gefahr dürfte aber weiterhin nicht drohen.

 ?? Illustrati­on: Getty/iStock ?? Die Schaltseku­nde wird abgeschaff­t – Debatten zur Nachfolge laufen.
Illustrati­on: Getty/iStock Die Schaltseku­nde wird abgeschaff­t – Debatten zur Nachfolge laufen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria