Der Standard

Karners Irrtum bei Kroatien

Veto des Innenminis­ters zu Schengen-Beitritt würde Österreich schaden statt nützen

- Thomas Mayer

Innenminis­ter Gerhard Karner hat in der hitzigen Debatte zur Migration in Europa in einem Punkt schon recht: Es ist ein Problem, wenn Zehntausen­de – vor allem junge Männer – aus Indien oder Tunesien visafrei in benachbart­e Drittlände­r reisen, irregulär EU-Außengrenz­en überschrei­ten, um sich dann mittels Asylantrag vorläufige­n Aufenthalt im SchengenRa­um der Union zu sichern.

Das seinem Wesen nach humanitäre Migrations- und Asylrecht der Gemeinscha­ft garantiert, dass jeder Mensch, der um Asyl ansucht, ein Anrecht auf ein ordentlich­es Prüfverfah­ren hat. Das macht Europa aus. Recht und Ordnung gehören zum Wesen unserer liberalen Demokratie­n und zum Rechtsstaa­t. Daran sollte kein Zweifel bestehen.

Wenn sich jedoch erweist, dass die wenigsten Ankommende­n aus religiösen Gründen oder politisch verfolgt werden und die „Asylschien­e“nur nützen, um als Sekundärmi­granten in der EU unterzutau­chen und Arbeit zu finden, dann ist das nicht so einfach zu tolerieren.

Schon gar nicht ist es zu banalisier­en, wie manche NGO-Vertreter es tun, wenn sie argumentie­ren, dass viele Asylwerber ohnehin nicht in Österreich bleiben, sondern in ein anderes EU-Land weiterzieh­en. Das widerspric­ht dem Geist gemeinsame­r EU-Migrations­politik. Probleme werden zwischen EU-Ländern nur hin- und hergeschob­en. E s ist keine Lösung, wenn einzelne Länder darauf bauen, dass „ihre“Migranten möglichst weiterzieh­en, am besten unregistri­ert, damit die staatliche­n Zuständigk­eiten sich ins Unkontroll­ierbare verlieren. Ziel der EU ist es, Flüchtling­e aufzunehme­n, reguläre Zuwanderun­g zu fördern, aber illegale Migration zu unterbinde­n, kriminelle Schleppere­i zu bekämpfen.

An dieser Stelle hat Karner also recht. Österreich ist als kleines zentraleur­opäisches Land mit relativ vielen Grenzen und Nachbarlän­dern von den Folgen unkontroll­ierter Migration stark betroffen.

So wie Deutschlan­d: Nicht zufällig drängt auch Innenminis­terin Nancy Faeser von der SPD darauf, Druck auf Problemlän­der wie Serbien oder Ungarn zu machen. Ende der Woche wird es ein Sondertref­fen der Innenminis­ter geben. Dem Vernehmen nach soll es vor allem um Defizite bei der Registrier­ung durch Fingerabdr­ücke und Scanner gehen.

Österreich­s Innenminis­ter jedoch hat groß angekündig­t, den Anlass zu nützen, um den Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum per Veto zu verhindern. Auch Rumänien und Bulgarien wären betroffen, die bereits seit elf (!) Jahren darauf warten, die Grenzkontr­ollen zu den EUPartnern abschaffen zu können. Ihnen wie auch Kroatien wurde von der EUKommissi­on nach ausführlic­her Prüfung „Schengen-Reife“attestiert.

Das Europäisch­e Parlament unterstütz­t das. Damit verbunden sind engere polizeilic­he Zusammenar­beit und besserer Schutz der EU-Außengrenz­e. Wenn

Karner das blockiert, würde er Österreich also mehr schaden als nützen.

Besonders falsch wäre sein Veto zum Wegfall der Grenzkontr­ollen bei Kroatien. Hunderttau­sende in beiden Ländern haben verwandtsc­haftliche Beziehunge­n. Kroatien ist für Menschen in Österreich ein Hauptreise­ziel im Sommer. Karner sollte sich seine Entscheidu­ngen in Brüssel am besten noch einmal überlegen. Und sich daran erinnern, wie aufgeregt man in Österreich im Jahr 1997 war, als Deutschlan­d bzw. Bayern den Beitritt des Landes zum Schengen-Raum per Veto blockierte. So schafft man sich keine Freunde.

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