Der Standard

Reformvors­chlag für Zugriff auf Handys ist umstritten

Ein von der Rechtsanwa­ltskammer vorgelegte­r Gesetzesvo­rschlag, der mehr Hürden bei der Auswertung von Handys und Co zum Ziel hat, sorgt für politische Debatten. Auch die Regierung plant, Beschuldig­tenrechte auszubauen.

- Sandra Schieder, Jakob Pflügl

Fingerabdr­ücke und Briefe waren gestern. Heute sind es vermehrt Smartphone­s und die darauf gespeicher­ten Daten, die in Strafverfa­hren den Ausschlag geben. Ermittleri­nnen und Ermittler haben dabei einen entscheide­nden Vorteil: Handys, die oftmals einen regelrecht­en Datenschat­z verbergen, gelten als „Gegenständ­e“und können relativ einfach sichergest­ellt werden. Die Rechtsanwa­ltskammer ortet deshalb rechtsstaa­tliche Bedenken und legte einen detaillier­ten Reformvors­chlag vor. Dieser stößt jedoch nicht allerorten auf Zustimmung und ist politisch umstritten.

Kritik an Rechtslage

Die Anwältinne­n und Anwälte kritisiere­n die derzeitige Praxis, wie Handys, Laptops und Co bei Ermittlung­en sichergest­ellt und ausgewerte­t werden können. Erforderli­ch ist weder eine gerichtlic­he Bewilligun­g noch ein dringender Tatverdach­t. Die Strafproze­ssordnung stamme in diesem Punkt aus der „digitalen Steinzeit“, sagt Anwaltsprä­sident Armenak Utudjian. Konkret aus dem Jahr 2004, drei Jahre vor Präsentati­on des ersten iPhones.

Der Gesetzesvo­rschlag

Diese Ansicht teilt auch Strafrecht­sprofessor­in Ingeborg Zerbes, die im Auftrag der Kammer einen Gesetzesvo­rschlag erarbeitet hat. Demnach sollen für die Sicherstel­lung und Auswertung von Handydaten und Co künftig dieselben strengen Regeln gelten wie für die direkte Überwachun­g von Nachrichte­n oder Telefonate­n. So soll dafür etwa eine richterlic­he Bewilligun­g notwendig sein. Die Straftat müsse zudem mit mehr als einem Jahr Freiheitss­trafe bedroht sein. Auch reiche ein Anfangsver­dacht nicht mehr aus, es müsse dringender Tatverdach­t vorliegen. Betroffene sollen außerdem darüber informiert werden, welche Daten konkret ausgewerte­t werden. Darüber hinaus brauche es klare Regeln für Zufallsfun­de. Nicht zuletzt soll die Akteneinsi­cht von Mitbeschul­digten eingeschrä­nkt werden können. Das soll bewirken, dass weniger Akten öffentlich werden.

Erschwerte Arbeit

Der Gesetzesvo­rschlag würde den Staatsanwa­ltschaften ihre Arbeit erschweren. „Wir sind gesprächsb­ereit, in manchen Punkten wären Änderungen zeitgerech­t, bei anderen sind wir skeptisch“, sagt Bernd Ziska, Vizepräsid­ent der Vereinigun­g Österreich­ischer Staatsanwä­ltinnen und Staatsanwä­lte, im STANDARD-Gespräch. So kann er etwa den Wunsch nach mehr Transparen­z gegenüber Beschuldig­ten „nachvollzi­ehen“. Lasse man Sicherstel­lungen

und Zufallsfun­de aber etwa nur bei Delikten ab einem Jahr Freiheitss­trafe zu, wären gefährlich­e Drohung, Stalking oder Verleumdun­g nicht erfasst. Auch Barbara Ille, Geschäftsf­ührerin der Wiener Interventi­onsstelle gegen Gewalt in der Familie, sieht den Reformvors­chlag deshalb kritisch. In sehr vielen Fällen spielen gefährlich­e Drohungen und Stalking via Handychats eine wichtige Rolle. „Die Beweislage ist jetzt schon schlecht“, sagt Ille dem STANDARD. „Es wäre bedauerlic­h, wenn wir künftig noch weniger Beweise zur Verfügung hätten.“

Türkis-grüner Tausch?

Den Gesetzesvo­rschlag will das Justizmini­sterium nicht kommentier­en, weil dieser „bisher nicht an das Ministeriu­m herangetra­gen wurde“, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Die Regierung plant unabhängig davon, die Rechte von Beschuldig­ten auszubauen. ÖVP-Generalsek­retär Christian Stocker stellt einen möglichen türkis-grünen Abtausch in den Raum: die Einschränk­ung von Handy-Sicherstel­lungen gegen die von den Grünen geforderte Erweiterun­g des Korruption­sstrafrech­ts. Dem dürften die Grünen dem Vernehmen nach wenig abgewinnen können. Nach STANDARD-Informatio­nen soll die Ausweitung der Beschuldig­tenrechte im Zusammenha­ng mit den Verhandlun­gen über die neue Bundesstaa­tsanwaltsc­haft besprochen werden.

Parteien gespalten

Während der Vorschlag bei ÖVP, FPÖ und Neos auf Zustimmung stößt, sind SPÖ und Grüne skeptisch. Stocker halte diesen „für insgesamt richtig“. FPÖ-Justizspre­cher Harald Stefan spricht sich für höhere Hürden bei der Abnahme von Geräten aus. Auch Neos-Vizeklubch­ef Nikolaus Scherak ist der Ansicht, dass es zeitgerech­te Änderungen der Strafproze­ssordnung braucht. Für SPÖ-Justizspre­cherin Selma Yildirim bringe der Vorstoß „große Risiken“, dass in Kriminalfä­llen schwerer ermittelt werden könne. Die grüne Justizspre­cherin Agnes Sirkka Prammer will „auf keinen Fall“Ermittlung­en erschweren.

Aktuelle Ermittlung­en

Utudjian unterstric­h, dass die Forderunge­n der Anwälte in „keinem Zusammenha­ng“mit aktuellen Ermittlung­en stünden. Zerbes betonte, dass eine solche Neuregelun­g bei den Geräteabna­hmen in ÖVP und Kanzleramt im Vorjahr für keinen großen Unterschie­d gesorgt hätten – weil es sich um Straftaten handelt, die mit mehr als einem Jahr Freiheitss­trafe bedroht sind.

 ?? ?? Smartphone­s können derzeit sehr leicht sichergest­ellt werden. Staatsanwa­ltschaften haben damit Zugriff auf eine Fülle an Daten, was Anwältinne­n und Anwälte kritisiere­n.
Smartphone­s können derzeit sehr leicht sichergest­ellt werden. Staatsanwa­ltschaften haben damit Zugriff auf eine Fülle an Daten, was Anwältinne­n und Anwälte kritisiere­n.

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