Der Standard

Tanz der Herbstgefü­hle

Anne Teresa De Keersmaeke­rs heiße Liebe zu Mozart, die Gegenwart des Afrikaners Serge Aimé Coulibali und die klassische „Giselle“in moderner Interpreta­tion von Akram Khan im Festspielh­aus St. Pölten.

- Helmut Ploebst

Genau das braucht es, wenn die Tage kühl und die Nächte lang werden: „un moto di gioia“– eine Welle der Freude. So lautete der originale Untertitel des seit 30 Jahren gefeierten Klassikers Mozart / Concert Arias der Starchoreo­grafin Anne Teresa De Keersmaeke­r.

Jetzt gastiert das Stück im Festspielh­aus, getanzt vom Opera Ballet Vlanderen. Ulises Maino dirigiert das Tonkünstle­r-Orchester, es singen Emma Posman, Annelies Van Gramberen sowie Raphaële Green, und Pedro Beriso spielt am Klavier.

Sehnsucht nach Liebe

Mozart / Concert Arias ist ein charakteri­stisches Werk für die 1960 geborene belgische Choreograf­in, deren Arbeit seit gut vier Jahrzehnte­n ganz speziell an Musik orientiert ist und zu den Glanzpunkt­en im zeitgenöss­ischen Tanz zählt.

„Für mich bleibt immer die Schlüsself­rage: Welche Bewegungen für welche Musik?“, erklärt De Keersmaeke­r. „Der schwierigs­te Teil ist, die richtige Körperspra­che für meine Arbeit zu finden.“

Im Lösen dieser Aufgabe erweist sie sich ausnahmslo­s als technische Perfektion­istin.

„De Keersmaeke­r hat sich von der Heiterkeit Mozarts anstecken lassen“, kommentier­te eine deutsche Zeitung anlässlich einer Wiederauff­ührung von Mozart / Concert Arias: „Geraubte Küsse, gespielte Seufzer und falsche Tränen: Das Spiel der

Geschlecht­er wird mit amüsiertem Blick geschilder­t.“Hier gibt es nicht nur Verstellun­g und Verführung, „Frauenlist und Männerlust“, sondern auch starke Zeichen für die Sehnsucht nach Liebe und „immer wieder Freudenspr­ünge“.

Nicht weit entfernt von solchen ist auch Serge Aimé Coulibalis Stück Wakatt – übersetzt: die Zeit, in der wir leben. Der Choreograf wurde zwölf Jahre nach De Keersmaeke­r in Burkina Faso geboren. Er zählt heute zu den Aushängesc­hildern

des zeitgenöss­ischen afrikanisc­hen Tanzes. Über sein Werk verrät er: „Die Pandemie hat direkten Einfluss auf die Inhalte dieser Kreation. Ich bin mir aber bewusst, dass das Publikum, das in die Theater kommt, wenn das Virus weg ist, etwas anderes will und Erfahrunge­n voll Hoffnung, Leben und Menschlich­keit machen möchte.“

Atemberaub­ende Bilder

Daher sei Wakatt „eine Feier des Lebens, des Menschlich­en mit seiner Fragilität, seinen Sorgen und seinen Freuden“. Eine wärmende Ansage für den Jänner, wie kalt auch immer er sein wird.

Für einen Hauch von Tragödie sorgt dann im Februar eine weitere Größe des Gegenwarts­tanzes: Akram Khan mit seiner Interpreta­tion von Giselle. Es tanzt das English National Ballet, mit Tamara Rojo in der Titelrolle.

Auch Khan ist Perfektion­ist, und er sorgt noch dazu für atemberaub­ende Bilder, die dieses Paradestüc­k des romantisch­en Balletts in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen. Festspielh­aus, Großer Saal: Mozart / Concert Arias, 2. + 3. 12.; Wakatt, 21. 1. 2023; Giselle, 24. + 25. 2. 2023; alle 19.30

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Mit Spitzensch­uhen, aber ohne Tutus: Akram Khan, britischer Choreograf­ie-Star mit bengalisch­en Wurzeln, lässt die berührende Geschichte im Ballett „Giselle“etwas anders tanzen.
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„Wakatt“: So fühlt sich unsere Zeit für Serge Aimé Coulibali aus Burkina Faso und sein diverses Ensemble an.

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