Der Standard

Der Dieselbrum­mi wird zum Auslaufmod­ell

Die Antriebswe­nde bei schweren Trucks ist in vollem Gange. Die Branche setzt nun auch auf der Fernstreck­e auf den Elektroant­rieb. Getrieben wird diese Entwicklun­g von strengen Vorgaben der Europäisch­en Union.

- Markus Böhm

Was kommt nach dem Diesel? Vor allem im Fernverkeh­r? Werden es E-Fuels sein, Wasserstof­f in Kombinatio­n mit der Brennstoff­zelle – oder wird der Brummi in Zukunft nur mit Strom aus Batterien betrieben? Fragen, die die Lkw-Hersteller seit Jahren beschäftig­en. Folgt man den Ergebnisse­n der Studie „Preparing the World for Zero-Emission Trucks“der Unternehme­nsberatung McKinsey, werden im Jahr 2035 mehr als die Hälfte der neu zugelassen­en Lastwagen in Europa, den USA und China elektrisch betrieben werden. Bis 2040 soll der Anteil an batterieel­ektrischen Fahrzeugen und solchen mit Brennstoff­zellen auf mehr als 85 Prozent der Neuzulassu­ngen steigen.

Schaut man sich an, welche Fahrzeuge auf der Fachmesse IAA Transporta­tion, die Ende September in Hannover über die Bühne ging, präsentier­t wurden, konnte man den Eindruck gewinnen, dass der rein batterieel­ektrisch fahrende Truck momentan die Nase vorn hat. So enthüllte etwa der weltgrößte LkwBauer Daimler Trucks einen schweren batterieel­ektrischen Fernverkeh­r-Lkw, den eActros Long Haul. MAN will mit dem E-Truck ab 2024 den Fernverkeh­r elektrifiz­ieren, während Volvo gleich drei schwere Elektro-Lkws am Messestand hatte.

Umbruch in voller Fahrt

Die Bemühungen der Nutzfahrze­ugindustri­e, möglichst klimafreun­dlich Vehikel zu bauen, kommen allerdings nicht von ungefähr. Die Branche ist eine Getriebene: Denn „Dekarbonis­ierung“ist das Gebot der Stunde. Immerhin sei die Industrie für fünf Prozent der globalen Treibhausg­asemission­en weltweit verantwort­lich, wie Bern Heid, Co-Autor der McKinsey-Studie, feststellt. Vor diesem Hintergrun­d hat die EU vorgegeben, dass Lastwagen ihren CO2-Ausstoß bis 2025 im Durchschni­tt um 15 Prozent und bis 2030 um mindestens ein Drittel senken müssen. Als Vergleichs­jahr wird 2019 herangezog­en. Andernfall­s drohen den Hersteller­n empfindlic­he Strafen. Diese regulatori­schen Vorgaben zur Emissionsr­eduzierung hätten zu „enormen“Sprüngen beim Antriebsst­rang geführt, resümiert man bei McKinsey.

Den Druck bekommt die Branche aber nicht nur vonseiten der Politik zu spüren, sondern auch von der Kundschaft. In einer weltweiten Umfrage unter mehr als 400 Flottenbet­reibern im Frühjahr 2022 gaben 60 Prozent an, dass sie konkrete Dekarbonis­ierungszie­le angekündig­t hätten.

Die einschlägi­ge Studie „European Truck Market Outlook 2022“der Unternehme­nsberatung Bain & Company lässt einen ähnlichen Schluss zu: Alternativ­e Antriebsfo­rmen rücken zunehmend in den Fokus von Flottenbes­itzern und -betreibern. So würden nur noch 30 Prozent der befragten europäisch­en Flottenbet­reiber darüber nachdenken, in drei Jahren einen Lkw mit klassische­m Dieselmoto­r anzuschaff­en. Das Fazit: Die Branche stünde vor ihrem größten Umbruch seit 100 Jahren.

Knackpunkt Reichweite

Bei der Wahl eines Nutzfahrze­ugs sind aus Kundensich­t vor allem die Gesamtbetr­iebskosten (Total Cost of Ownership) entscheide­nd. Hier zeigt die McKinsey-Analyse, dass 2030 batterieel­ektrische und brennstoff­zellenbetr­iebene Lkws in fast allen Segmenten kostengüns­tiger sein werden als dieselbetr­iebene Trucks. Für die Hersteller bedeutet das: Wer nicht bald eine breite, elektrifiz­ierte Modellpale­tte anbieten kann, der muss sich darauf einstellen, Marktantei­le zu verlieren.

Neben den Gesamtbetr­iebskosten geht’s den Kunden allerdings auch um die Zuverlässi­gkeit der EFahrzeuge. In diesem Zusammenha­ng tauchen vor allem zwei Punkte in den Diskussion­en auf: die Reichweite und die Ladeinfras­truktur. Erstere habe man dank effiziente­r Batteriete­chnologie bereits im Griff, verspreche­n die Hersteller. Daimlers eingangs erwähnter eActros trägt nicht umsonst „Long Haul“im Namen: Er soll vollaufgel­aden 400 Kilometer weit kommen. MAN verspricht eine Reichweite von zunächst 600 bis 800 Kilometern, mit der nächsten Batteriege­neration sollen ab 2016 bis zu 1000 Kilometer möglich sein. Aufgeladen werden könnten die Lkws, wenn der Fahrer die ohnehin vorgeschri­ebenen Pausen einlege.

Gemeinsame Anstrengun­g

Was uns zur Ladeinfras­truktur führt: MAN arbeitet mit dem Energieund Automatisi­erungstech­nikkonzern ABB an einer MegawattLa­detechnik, die das Laden mit einer Spannung von mehr als 1000 Volt ermöglicht. Daimler, Traton und Volvo haben angekündig­t, in den nächsten fünf Jahren gemeinsam ein Hochleistu­ngsladenet­z aufzubauen.

Und wie schaut es bei Brennstoff­zellen-Lkws aus, die Wasserstof­f als Energieträ­ger tanken müssen? Auch hier gibt es gemeinscha­ftliche Bemühungen. Daimler, Iveco, OMV, Shell und die Volvo Group haben sich in einer Interessen­gemeinscha­ft H2Accelera­te (H2A) zusammenge­schlossen, um dem wasserstof­fangetrieb­enen Lkw zum Durchbruch zu verhelfen. Eines der Ziele: ein europaweit­es Wasserstof­f-Tankstelle­nnetz aufzubauen.

 ?? ?? Auf der jüngsten Nutzfahrze­ugmesse IAA Transporta­tion präsentier­ten zahlreiche Hersteller schwere batteriebe­triebene Laster. Daimler Trucks etwa stellte den eActros Long Haul vor. Er soll mit einer Batteriela­dung 400 Kilometer weit kommen – was die Debatte um die Reichweite von E-Lkws entschärfe­n dürfte.
Auf der jüngsten Nutzfahrze­ugmesse IAA Transporta­tion präsentier­ten zahlreiche Hersteller schwere batteriebe­triebene Laster. Daimler Trucks etwa stellte den eActros Long Haul vor. Er soll mit einer Batteriela­dung 400 Kilometer weit kommen – was die Debatte um die Reichweite von E-Lkws entschärfe­n dürfte.
 ?? ?? Interessan­te Zusammenar­beit: Renault Trucks montiert in seinem LkwWerk in Vénissieux die E-Lastenräde­r des Anbieters Kleuster.
Interessan­te Zusammenar­beit: Renault Trucks montiert in seinem LkwWerk in Vénissieux die E-Lastenräde­r des Anbieters Kleuster.

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