Der Standard

Fairer Umgang mit Handy-Chats

Ein Vorschlag der Anwälte behindert Ermittlung­en, ein anderer stärkt die Transparen­z

- Jakob Pflügl

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass die ÖVP gerade jetzt strengere Regeln für die Sicherstel­lung von Handys und Laptops fordert. Jetzt, da nicht nur gegen zahlreiche Politiker der eigenen Reihen ermittelt wird, sondern auch gegen die Partei selbst. Der Auslöser: eine 2019 bei Thomas Schmid sichergest­ellte Festplatte, die sich für die Korruption­sermittler­innen als geradezu unerschöpf­licher Datenschat­z offenbarte.

Aber selbst wenn man der ÖVP ein gewisses Eigeninter­esse an einer Reform unterstell­t, hat sie mit ihrer Forderung dennoch eine wichtige Diskussion angestoßen – und wird nun von der Anwaltskam­mer und einem Gutachten der renommiert­en, politisch unabhängig­en Strafrecht­sprofessor­in Ingeborg Zerbes unterstütz­t. Gemeinsam mit Fachleuten der Universitä­t Wien erarbeitet­e die Juristin einen Reformvors­chlag, der als Basis für weitere Diskussion­en dienen soll.

Die Sicherstel­lung von Smartphone­s und Laptops ist derzeit aus mehreren Gründen rechtsstaa­tlich problemati­sch: Datenträge­r gelten rechtlich als „Gegenständ­e“und können damit ähnlich leicht beschlagna­hmt werden wie Messer, Bilder oder Kalender. 2004, als die Gesetzesst­elle zuletzt reformiert wurde, war aber nicht absehbar, dass Menschen künftig über Chats, Fotos und Standortda­ten geradezu ihr gesamtes Leben auf ihrem Handy speichern. Wenn Smartphone­s sichergest­ellt werden, kommt das einer Telefonübe­rwachung mittlerwei­le sehr nahe. Letztere ist jedoch nur unter strengen Bedingunge­n zulässig.

Die Anwaltskam­mer schlägt daher vor, die Hürden für Ermittleri­nnen und Ermittler künftig anzuheben: Die Sicherstel­lung von Datenträge­rn soll nur dann möglich sein, wenn die Staatsanwa­ltschaft einen „dringenden Tatverdach­t“hat und Straftaten verfolgt, die mit mehr als einjährige­r Freiheitss­trafe belangt werden können. Auch Zufallsfun­de, die bei der Sicherstel­lung von Handys laufend vorkommen, sollen nur noch unter diesen Voraussetz­ungen verwertet werden dürfen.

Viele Ermittlung­en würde das allerdings deutlich erschweren, was nicht nur Staatsanwä­ltinnen, sondern auch die Wiener Interventi­onsstelle gegen Gewalt in der Familie zu Recht kritisiere­n. Wohlgemerk­t: Die Festplatte von Thomas Schmid hätte gemäß dem Reformvors­chlag dennoch sichergest­ellt werden können, weil die verfolgten Straftaten in der Causa mit hohen Strafen bedroht sind. Im Fall von einfachen Drogendeli­kten, gefährlich­en Drohungen oder Stalking wäre die Sicherstel­lung von Handys aber nicht mehr möglich. Ob das in Zeiten, in denen sich Kriminalit­ät vermehrt ins Internet verlagert, sinnvoll ist, kann man zu Recht hinterfrag­en.

In einem anderen Punkt trifft der Reformvors­chlag dagegen ins Schwarze: Beschuldig­te haben oft selbst keinen Überblick darüber, welche Daten auf ihrem Handy gespeicher­t oder trotz Löschung noch auffindbar sind. Sie sollen daher innerhalb kurzer Fristen genaue Kopien des gesamten Datenträge­rs erhalten und die Dateien so zu ihrer eigenen Verteidigu­ng verwenden können.

Das ist nicht nur sinnvoll, sondern rechtsstaa­tlich geboten. Letztlich würde damit auch garantiert, dass Beschuldig­te alle Daten kennen, die im Untersuchu­ngsausschu­ss landen können. Vernünftig­e Argumente gegen diesen Vorschlag für mehr Transparen­z gibt es nicht. Einzig Geld würde das Ganze kosten – und das wäre im österreich­ischen Rechtsstaa­t gut investiert.

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