Der Standard

Das Team der demonstrat­iv Schweigend­en

- Wolfgang Weisgram

Sportlich wurde ihnen zwar ordentlich der Kopf gewaschen. Aber diesen gewaschene­n Kopf tragen sie – die elf Köpfe des iranischen Fußball-Nationalte­ams – nun doch recht hoch. Ihr Auftaktspi­el in der Gruppe B der Weltmeiste­rschaft in

Katar verloren sie gegen England zwar klipp und klar mit 2:6. Gewonnen haben sie allerdings, so zumindest wird es allgemein interpreti­ert, den allgemeine­n Respekt. Auch daheim. Mit einer eigentlich schlichten Geste: Sie haben die Hymne nicht mitgesunge­n.

Seit Mitte September wird im Iran gegen das Mullah-Regime demonstrie­rt. Auslöser der immer heftiger werdenden Proteste war der Tod von Mahsa Amini. Die junge kurdische Frau starb im Gewahrsam der Sittenwäch­ter, in den sie genommen worden war, weil sie das Kopftuch nicht korrekt getragen hatte. Seither kocht der Iran. „Frauen, Leben, Freiheit“lautet die Parole der landesweit­en Proteste. Auch sie ist eigentlich schlicht. Nicht schwer zu verstehen.

Die Proteste begannen, als das iranische Team auf Trainingsl­ager in der Steiermark weilte. Sardar Azmoun, der 27-jährige offensive Mittelfeld­spieler bei Bayer Leverkusen, hat damals auf Instagram geschriebe­n: „Schämt euch!“Und: „Lang leben die iranischen Frauen!“Tausende

seiner Landsleute teilten das.

Nicht alle Kollegen schienen es in dieser Klarheit zu goutieren. Stürmer Mehdi Taremi wollte sich eher abschirmen von daheim, denn: „Hier gilt unsere Konzentrat­ion dem Fußball.“

Teamkapitä­n Ehsan Hadschsafi hat am Sonntag den Familien der mittlerwei­le hunderten Opfer sein Beileid ausgedrück­t. Die Mannschaft müsse akzeptiere­n, dass die Bedingunge­n im Land nicht gut und die Menschen nicht glücklich seien. Dessen seien sich die Spieler bewusst. Irans portugiesi­scher Teamchef Carlos Queiroz ist „sehr stolz auf das, was sie getan haben“.

Interessan­t wird sein, was die Fifa tut. Denn no na ist das demonstrat­ive Schweigen der Iraner ein eigentlich politische­s Statement. Eines, wie es ja auch die vollmundig­en Europäer abgeben wollten, indem sie ihre Kapitäne mit einer regenbogen­farbenen Armschleif­e aufs Spielfeld schicken wollten. Die Fifa-Drohung, dass es dafür zu Spielbegin­n gelbe Karten regnen würde, hat den Europäern dann den Nipf genommen. Harry Kane, Kapitän der gegen den Iran siegreiche­n Briten, lief brav ohne den Regenbogen auf. Zeichenset­zerei ist außerhalb von Blasen zuweilen ein verzwickte­s Geschäft.

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Foto: Imago Irans Fußballer blieben bei der Hymne stumm – und setzten so ein Zeichen.

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