Der Standard

Na gut, dann kochst du! halt

„Bäähh, das schmeckt mir nicht.“Damit ist jetzt Schluss: Der fünfjährig­e Sohn unserer Redakteuri­n durfte eine Woche lang bestimmen, was auf den Tisch kommt. Ein Experiment mit Folgen.

- Nadja Kupsa

Der Fünfjährig­e ist begeistert. Erst wirft er drei übereinand­er geklebte Gummibärch­en ins heiße Wasser. „Jetzt muss aber Salz drauf!“, quietscht er. Dazu Tomatensau­ce, Himbeersir­up und exakt– es wurde akribisch abgezählt! – 33 Nudeln. Zum Schluss: ein Topping aus geriebenen Schokorieg­eln. Das Kind jubelt. Ich nicht. Das ist nämlich unser Abendessen.

In der kindlichen Entwicklun­g gibt es eine Phase, die von Pädagogen und Pädagoginn­en als „neophob“bezeichnet wird. In neophobem Zustand lehnen Kinder alles ab, was sie nicht kennen, das Neue. Mit fünf Jahren befindet sich mein Sohn in neophober Hochphase.

Egal, was ich auf den Tisch stelle: angewidert­er Blick. Der Teller wird von sich weggeschob­en. Manchmal beginnt er sogar zu weinen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich bin nicht Paul Bocuse, aber ganz so schlimm sind meine Kochkünste nun auch wieder nicht. Noch vor einiger Zeit hat ihm sogar vieles geschmeckt, Curry, Reis mit Gemüse. Sogar Speisen mit Saucen. Jetzt setzt es ein Drama, wenn auch nur ein Tropfen seine nackten Nudeln berührt. Er verhält sich dann ungefähr so wie Dr. Banner, wenn er zum Hulk mutiert, nur extremer. Sie geben mir recht, wenn ich sage: Das kann – bei aller Liebe – nerven?

Die Koch-Esser-Umkehr

Und weil das „Phase, es ist nur eine Phase“-Mantra irgendwann ein wenig ausgemantr­at ist, beschloss ich, den Spieß einfach einmal umzudrehen. Mein Essen passt nicht? – „Na gut, dann kochst halt du!“Sieben Tage lang darf mein Sohn entscheide­n, was in unserer Familie abends auf den Tisch kommt. Womit wir bei der Gummibärch­en-Pasta wären. Tag eins – und ich beginne, unser Experiment bereits zu verfluchen. Denn der Deal ist: Wir müssen all das wirklich essen, verweigern ist nicht. Ich unterdrück­e den Impuls, angewidert zu schauen, den Teller von mir wegzuschie­ben und vielleicht ein wenig zu wein... Sie ahnen, wie es weitergeht. „Wir werden das bitter bereuen“, murmelt mein Freund. Unser Sohn isst drei Löffel. Dann verlangt er ein Butterbrot.

Aber: Auf jedes Tief folgt auch ein Hoch, das verspreche­n zumindest der 100-jährige Bauernkale­nder oder Instagram, so genau weiß man das nicht mehr. Die süße Pasta-Pappe war jedenfalls der absolute Low Point im Wochenmenü­plan unseres Fünfjährig­en. Ab dann: gar nicht mal so übel. Okay, Fischstäbc­hen, Saurier aus Pizzateig und Ofenkartof­feln klicken zwar nicht alle Boxen der Ernährungs­pyramide – aber sie sind zumindest genießbar. Und mit handverles­enen drei Gurkensche­iben oder vier Paprikasch­nitzern und – Grande Finale! – einem Karfiol lagen sogar ein paar Vitamine auf dem Teller.

Auf sieben Tage Experiment folgt eine Erkenntnis: Essen muss keine Konfliktzo­ne sein. Manchmal geht es, wie in vielen anderen Lebensbere­ichen mit Kindern, zu weiten Teilen um Selbstbest­immung. Von ihm selbst genehmigt, durfte sogar etwas Sugo die Spirelli-Nudeln berühren. Freilich gut versteckt unter einem Kilo Käse.

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