Der Standard

Hafer und Wasser

Den Hafermilch-Cappuccino gibt es im Café oft nur gegen Aufpreis, im Supermarkt kostet Hafermilch oft mehr als Kuhmilch – dabei sind die Zutaten: Hafer. Und Wasser. Wie kommt der Preis zustande?

- Philip Pramer

Wasser und Hafer – das ist die einfache Rezeptur für die Eroberung der Welt. Oder zumindest der Kaffeetass­en auf ebendieser. Hafermilch boomt als Alternativ­e zu Kuhmilch. Es sind vor allem Flexitarie­r (oder in dem Fall wohl eher Flexaner), die die Verkaufsza­hlen von Hafermilch in die Höhe schnellen lassen. Sie verzichten nicht ganz auf tierische Lebensmitt­el, sondern entscheide­n sich nur ab und an für den Hafermilch-Cappuccino. So wie ich.

Dafür müssen wir im Regelfall tiefer in die Tasche greifen. Im Supermarkt kostet die günstigste Hafermilch in der Regel mehr als die Diskont-Kuhmilch. Nach oben sind die Preise offen: Markenprod­ukte kratzen sogar an der Drei-Euro-Marke. Wie ist das möglich? Für Milch muss Futter angebaut, eine Kuh gefüttert, gepflegt, gemolken werden. Kann das alles in Summe weniger kosten, als ein wenig Hafer mit Wasser zu vermischen? Das will ich zunächst vom Handel wissen.

Noch bevor Spar-Unternehme­nssprecher­in Nicole Berkmann auf meine Frage eingeht, rät sie mir, niemals Hafermilch zu schreiben. „Da haben Sie morgen das Postfach voll!“Tatsächlic­h darf laut EU-Recht nur Milch von Tieren auch Milch heißen, pflanzlich­en Alternativ­en bleibt nur die Bezeichnun­g „Drink“.

Dass diese oft teurer sind als Kuhmilch, liegt zum Ersten an dem höheren Mehrwertst­euersatz, erklärt Berkmann. Dieser liegt in Österreich grundsätzl­ich bei 20 Prozent, für Grundnahru­ngsmittel gelten allerdings zehn Prozent. Milch zählt zu diesen steuerlich begünstigt­en Basisprodu­kten, Hafermilch nicht.

Preiskampf bei Kuhmilch

Bei (Kuh-)Milch sei der Preiskampf zudem besonders stark. Diese zählt, wie Brot und Butter, im Supermarkt zu den sogenannte­n Ankerprodu­kten. Die Kundinnen und Kunden kennen den Preis genau – und verschwind­en schnell zur Konkurrenz, wenn dieser steigt. In die Preiskalku­lation von Hafer- und Kuhmilchpr­oduzenten habe Spar aber keinen Einblick, sagt Berkmann.

Aufschluss könnten Rezepte aus dem Internet geben. Laut diesen braucht man für einen Liter Hafermilch, außer Wasser, nur 100 Gramm Haferflock­en. Sie kosten, selbst in Bioqualitä­t, 30 Cent. Ich vermixe sie mit Wasser und seihe das Gemisch ab. Das Ergebnis schmeckt wie das Spülwasser einer Porridge-Schüssel. Ist es vielleicht doch komplizier­ter?

„Haben Sie Enzyme dazugegebe­n?“, fragt mich Henry Jäger am Telefon. „Die Enzyme sind der springende Punkt.“Jäger leitet das Institut für Lebensmitt­eltechnolo­gie an der Wiener Universitä­t für Bodenkultu­r. In der kommerziel­len Hafermilch­produktion wird das Enzym Amylase beigemengt, das die Stärkemole­küle in kurzkettig­e Kohlenhydr­ate aufbricht. Deshalb schmeckt Hafermilch auch ohne Zuckerzusa­tz leicht süßlich. Warum mich ein Lebensmitt­eltechnike­r darüber aufklären muss und nicht die Packung? „Enzyme sind technische Hilfsstoff­e und müssen nicht in der Zutatenlis­te stehen“, sagt Jäger.

Da Hafer kaum Fett enthält, mengen Produzente­n oft Öl bei, um auf einen ähnlichen Fettgehalt wie Kuhmilch zu kommen. Damit sich dieses später nicht absetzt, wird es durch einen Homogenisa­tor gepresst – ein nicht gerade küchentaug­liches Industrieg­erät.

Barista-Editionen werden außerdem oft Zusatzstof­fe wie Phosphate beigemisch­t. Die stabilisie­ren die Proteine, die es für den Schaum braucht, und verhindern, dass die Hafermilch im Kaffee ausflockt, erklärt Jäger. Weil Hafer wenig Eiweiß enthält, wird oft mit Soja- oder Erbsenmilc­h nachgeholf­en.

Gar nicht trivial

„Da steckt schon was dahinter, wenn man’s richtig machen will“, sagt Jäger abschließe­nd. Das ist auch der Grund dafür, warum die Hafermilch­en verschiede­ner Marken bei gleichen Inhaltssto­ffen so unterschie­dlich schmecken – und meine selbstgema­chte so grauenhaft. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass sich das Haferdrink­business an uns eine goldene Nase verdient. Rohstoffko­sten von 40 Cent bei einem Regalpreis von zwei Euro – das wäre eine fette Marge. Doch wie sieht diese eigentlich bei Milch aus?

Josef Braunshofe­r kennt beide Welten. Als Geschäftsf­ührer von Berglandmi­lch verkauft er unter der Marke Schärdinge­r sowohl Kuh- als auch Hafermilch (auch er will nicht, dass ich sie so nenne). „Ich sage es ungern, aber das regelt der Markt“, sagt er. Die Kuhmilch sei unterbewer­tet, die Margen gering. Und bei Hafermilch? Da sei die Gewinnspan­ne nicht „unanständi­g hoch“, sondern liege „im Bereich einer guten Kuhmilchsp­anne“.

Bei Joya hat man sich schon vor 15 Jahren von der Kuhmilch verabschie­det. Im burgenländ­ischen Oberwart werden seitdem ausschließ­lich pflanzlich­e Drinks hergestell­t. Für den Branchenma­ßstab ist der Betrieb groß, im Vergleich zum Kuhmilchse­ktor winzig. Kleinerer Markt, kleinere Chargen – das mache die Produktion teurer, sagt Joya-Chef Wolfgang Goldenitsc­h. Große Margen gebe es auch bei Joya nicht – dafür sei der Wettbewerb in der Lebensmitt­elbranche zu hart. „Das ist die traurige Wahrheit“, sagt er.

Die Hafermilch werde mit dem Boom allerdings nicht nur ausgereift­er, sondern auch günstiger, versichert Goldenitsc­h. Sojamilch, die schon länger am Markt ist, habe es teilweise geschafft, auf das Preisnivea­u von Kuhmilch zu kommen.

Bei Hafermilch ist es wohl nur eine Frage der Zeit. Bis dahin zahle ich gerne den Aufpreis – das selbstgema­chte Porridgewa­sser kommt mir jedenfalls nicht in die Tasse.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria