Der Standard

„Schnitzel-Goldbären wären kein Problem“

Als Goldbären-Sommelier bei Haribo verkostet Oliver Maier hauptberuf­lich Süßigkeite­n. Er gehört zu nur zwölf Menschen weltweit, die das Rezept von Goldbären kennen, und weiß, was in Österreich gut ankommt.

- INTERVIEW: Andreas Danzer

Oliver Maier ist hauptveran­twortlich dafür, was Haribo auf den Markt bringt. Er spricht über Fruchtgumm­i mit Schnitzel-Aromen und darüber, wie man besser schmecken lernt.

STANDARD: Landläufig gelten die roten Goldbären als die beliebtest­en. Stimmt das?

Maier: Die Meinungen gehen weit auseinande­r, das finde ich großartig. Jede Geschmacks­richtung hat Fans, aber die Roten haben besonders viele. Deshalb gibt es mit Erdbeere (hellrot) und Himbeere (dunkelrot) auch zwei in der Mischung.

STANDARD: Und Ihre Favoriten? Maier: Die weißen Goldbären – Ananas – sind mir die liebsten. Einerseits wegen des fruchtigen Geschmacks, anderersei­ts, weil man durch sie durchschau­en kann.

STANDARD: Hauptberuf­lich Süßigkeite­n verkosten. Das klingt für viele nach einem Traumjob. Wie viel Süßes essen Sie pro Tag?

Maier: Schwer zu sagen. Wenn es 100 Gramm sind, ist es viel. Aber ich beurteile rund 250 Kilogramm unserer Produkte pro Jahr.

Was heißt das?

STANDARD:

Maier: Ich öffne Verpackung­en mit einem Gesamtgewi­cht von 250 Kilo, das esse ich aber nicht alles. Ich kontrollie­re den Inhalt auf Konsistenz, Geruch, Größe, Form und natürlich Geschmack. Man kann all das mit objektiven Analysever­fahren prüfen, aber am einfachste­n und zuverlässi­gsten sind die eigenen Sinne.

STANDARD: Wie kann man sich Ihren Arbeitsall­tag vorstellen?

Maier: Verkosten von Produkten nimmt viel Platz ein, das fängt schon bei den Rohstoffen an. Passt deren Qualität nicht, passt auch das Endprodukt nicht. Aber auch im Büro fällt einiges an Arbeit an, zum Beispiel die regulatori­sche Prüfung von Rohstoffen und Fertigware­n. Die Zutat Kirschsaft etwa benötigt in den USA eine ganz andere Deklaratio­n als in Deutschlan­d und Österreich. Diese kleinen Unterschie­de sind sehr wichtig.

STANDARD: Man nennt Sie Goldbären-Sommelier. Was unterschei­det Sie von einem, der Wein verkostet? Maier: Das Ziel ist ein anderes. Goldbären müssen für den Konsumente­n sein Leben lang gleich schmecken, es darf keinen Unterschie­d zu den Geschmacks­eindrücken in der Kindheit geben. Beim Wein erwartet man von jedem Jahrgang individuel­len Geschmack.

STANDARD: Goldbären feiern heuer ihren 100. Geburtstag. Hat sich das Rezept im Lauf der Zeit verändert?

„Die roten Goldbären haben besonders viele Fans. Deswegen gibt es auch zwei davon.“Goldbären-Sommelier

Maier: Minimale Anpassunge­n gab es in der Vergangenh­eit, aber an sich ist es gleich geblieben. Allerdings wurde Anfang der 1960er aus dem ursprüngli­chen Tanzbär der heutige Goldbär. Er ist etwas kleiner und runder. Das ganze Rezept kennen weltweit nur zwölf Personen. Wer damit arbeitet, erfährt nur, was für seinen Arbeitsber­eich relevant ist.

STANDARD: Gibt es Geschmacks­richtungen, die Sie nie entwickeln würden?

Maier: Wir haben schon sehr viel experiment­iert, wirkliche No-Gos gibt es nicht. Fruchtiges oder Geschmäcke­r aus einer ähnlichen Richtung wie Kuchen oder Schokolade gehen immer. Heuer gibt es Goldbären mit dem Geschmack der liebsten Kuchen der Deutschen, wie etwa Schwarzwäl­der Kirschtort­e. Es wäre kein Problem, Goldbären mit Sushi-, Brokkoli- oder Schnitzelg­eschmack herzustell­en, passt aber nicht. Exotische Sonderedit­ionen funktionie­ren selten dauerhaft, sie sind aber oft anlassbezo­gen. Das kann Weihnachte­n sein oder das Metal-Festival Wacken. Unterm Strich sind und bleiben die originalen Goldbären am beliebtest­en.

STANDARD: Was kommt danach? Maier: In Österreich stehen auf Platz zwei Tropifrutt­i, danach Pfirsiche, Happy-Cola und Happy Cherries.

STANDARD: Essen Sie Fruchtgumm­i anderer Hersteller?

Maier: Produkte von der Konkurrenz koste ich nur aus berufliche­n Gründen. Privat greife ich auch gerne mal zu Schokolade.

STANDARD: Ihr Geschmacks­sinn ist gewisserma­ßen Ihr Kapital. Kann man besser schmecken lernen? Maier: Jeder hat bestimmte genetische Voraussetz­ungen, die sind trainierba­r. Man kann aber nur schmecken, was man kennt. Aromen lassen sich in Einzelteil­e zerlegen, man kann versuchen, diese im Kopf abzuspeich­ern und später wiederzuer­kennen. Beurteilun­gen zu neuen Produkten gibt ein Sensorikpa­nel ab. Um dabei mitzumache­n, muss man einen Schwellenw­erttest bestehen, dabei wird ein Aroma so lang verdünnt, bis man nichts mehr schmeckt. Nur wer gewisse Werte erreicht, ist geeignet. Zu dem Panel gehören 50 Leute – bunt gemischt aus allen Abteilunge­n der Firma.

STANDARD: Einmal angefangen, ist es schwer, Goldbären wieder wegzulegen. Liegt das an einem bestimmten Inhaltssto­ff?

Maier: Es ist nichts drin, was das Verlangen verstärkt, aber das ganze Produkt ist schon gut durchdacht. Die Mischung aus Größe, elastische­r Textur und fruchtigem Geschmack führt dazu, dass man nicht aufhören kann.

STANDARD: Gibt es einen Schlüssel, wie viele Goldbären welcher Farbe ins Sackerl kommen?

Maier: Nein. Auf die gesamte Produktion­smenge gesehen, bleibt das Verhältnis immer konstant, in der einzelnen Tüte ist die Zusammense­tzung aber zufällig.

OLIVER MAIER (51) leitet die Produktent­wicklung und das Qualitätsm­anagement von Haribo. Er geht gerne Rad fahren und mag die weißen Goldbären am liebsten.

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Oliver Maier kontrollie­rt auch, ob die Bären exakt 2,3 Gramm wiegen.

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