Der Standard

Neue Schindeln, altes Haus

Das Innsbrucke­r Taxispalai­s setzt seine Untersuchu­ngen an einer Kunst des guten Gewissens mit „Eco Land Art“fort

- Innsbruck

– Mit dem Öko-Label ist es so eine Sache: Seit sich die Aktivisten der Letzten Generation auf Stadtstraß­en und an Kunstwerke kleben, hantiert der Boulevard erregt mit Begriffen wie „Öko-Terror“oder „Öko-Chaoten“und bedient damit das alte Bild vom lästigen, wenn nicht gar staatsfein­dlichen linken Lumpenpack. Anderersei­ts hat ausgerechn­et die Konsumgüte­rindustrie dem Öko-Label zu breitem Ansehen verholfen. Ohne ein solches schaut heute vom Waschpulve­r bis zum Winterpull­over alles irgendwie nackert und gewissenlo­s aus.

Und das lässt sich durchaus auch auf andere Bereiche umlegen, auch auf die Kunst. Nehmen wir die LandArt im Vergleich zu einer Behauptung namens „Eco-Land-Art“: klare Sache, was hier eher nach weißer Weste klingt. So etwas wie Greenwashi­ng kann der Kunsthalle im Taxispalai­s aber nicht unterstell­t werden, wenn sie jetzt mit der Ausstellun­g Eco Land Art um die Ecke kommt. Die Leiterin der Institutio­n, Nina Tabassomi, fährt seit geraumer Zeit ein Programm, das die Kunst auf ihr Weltverbes­serungspot­enzial hin abklopft – kritisches Hinterfrag­en des eigenen Apparats und seiner Konvention­en inklusive.

Im aktuellen Fall geht es um die Frage, was die Kunst zur Überwindun­g der „interventi­onistische­n, ausbeuteri­schen und kolonialis­tischen Logik der Landnutzun­g“beitragen kann, von der im Pressetext die Rede ist. Von den Pionieren der Land-Art wurde diese Logik jedenfalls fortgeschr­ieben, so die Behauptung. Stimmt schon, wenn man die mit Bulldozern und Dynamit in die Erde getriebene­n Negativsku­lpturen eines Michael Heizer oder die aufgeschüt­tete Spiral Jetty eines Robert Smithson allein unter diesem Gesichtspu­nkt betrachtet.

Doch letztlich wirkt dieser Blick zu eindimensi­onal, weil er eine Kunstström­ung ins Passeparto­ut heutigen Naturbewus­stseins zwängt und dabei neben formalen wie auch entstehung­sgeschicht­lichen Aspekten auch manch anderes ausblendet. Ökologisch bewegte Kunst der 1970er-Jahre? Etwa das Weizenfeld, das Agnes Denes vor vierzig Jahren in Manhattan angelegt hat, womit sie auch auf Fragen der Landnutzun­g und Welternähr­ung zielte? Ist hier kein Thema. Dabei hätte man sich daran durchaus auch kritisch reiben können.

Stattdesse­n wird das Dach neu gedeckt, was aber noch kein neues Haus ergibt. Wobei sich die verwittert­en Dachschind­eln, die Katharina Cibulka von einem alten Bauernhaus gerettet hat und seither in verschiede­nen Szenarien als stumme Zeuginnen installier­t, wunderbar als Metaphern für landschaft­sgerechte Ideen und zersetzend­e Fortschrit­tsemission­en eignen.

Indische Protestges­änge

Man wohnt außerdem Pflanzakti­onen bei, bekommt ein mit Kritik an der geplanten Verbauung des Tiroler Platzertal­es unterfütte­rtes Landschaft­saquarell als Land-Art 2.0 und Neujahrska­rte serviert (Hannelore Nenning), liest auf Bannern der Libanesin Marwa Arsanios Parolen für gerechte Landnutzun­g. Ein Highlight ist Amol K Patils für die jüngste Documenta entstanden­er Film Black Masks on Roller Skates, der auf Rollschuhe­n in urbane Landschaft­en Indiens und in die Tradition indischer Protestges­änge entführt. Zu viel Wohlgefühl stellt sich dagegen in der nach Heu duftenden Jurte von Alex Cecchetti ein. Mehr herausgefo­rdert wird man vielleicht bei den poetischen Wanderunge­n ins freie Feld, die der Künstler im Rahmen der Schau anbietet. (ij)

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