Irritierend und unendlich schön
Jede Generation hat ihre Ausnahmekünstlerin, so hieß es lange. Das aktuelle Angebot im Dorotheum zeigt, dass Werke von Künstlerinnen wie Yayoi Kusama, Renate Bertlmann oder Zenita Komad nicht mehr die Ausnahme sind.
Der Punkt ist das Markenzeichen von Yayoi Kusama. Die 1929 geborene japanische Künstlerin hat alles mit Punkten überzogen: Leinwände, Menschen, Tiere, Ausstellungsräume, Bäume und auch ihre geliebten Kürbisse, die sie an ihre Kindheit in einer Kleinstadt in Japan erinnern, die jedoch keineswegs frei von Zwängen war: weder äußerlich noch von innerlich. Ihre Eltern versuchten sie in eine klassische Frauenrolle zu drängen, weswegen sie nach ersten Erfolgen von Kioto in die USA zog, wo sie von 1957 bis 1973 lebte.
Die inneren Geister folgten ihr freilich: „Meine Kunst hat ihren Ursprung in meinen Halluzinationen“, erklärt Kusama, die aus ihrer Krankheit nie einen Hehl gemacht hat. Während sie als Kind befürchtete, sich in unendlichen Mustern selbst aufzulösen, trieb sie diese Auflösung in ihrer Arbeit – zuletzt in einer Retrospektive im Gropius-Bau in Berlin – stets voran.
Die Form des Kürbisses, die sie in ihr All-over-Punkte-Universum stets miteinbezieht, hat einen besonderen Stellenwert: So spiegeln sie sich in ihren „Infinity Rooms“ins Unendliche oder halfen ihr, wie beim Bild Pumpkin KKK (2002), ihre innere Balance wiederzufinden.
Kusama hat sich auch früh für feministische Anliegen stark gemacht, die auch Carla Accardi wichtig waren: Von der italienischen Malerin, die sich mit Strukturen, Variationen und Wiederholungen befasste, werden vier Gemälde versteigert, auf denen sich Kringel zu zeichenhaftlyrischen Formationen verbinden.
Bilder von Accardi waren heuer auch in Venedig zu sehen, und die Gouache von Maria Lassnig ist ebenfalls im Biennale-Kontext, im Rahmen ihres ersten Auftritts 1980, entstanden: Da sie bei der Katalogproduktion mit der Farbwiedergabe ihres Gemäldes Die Last des Fleisches nicht zufrieden war, malte Lassnig zum Abgleich eine Gouache. Nach mehreren Korrekturen erhielt der Galerist ihr Okay für den Druck und die Gouache als Geschenk, die von Lassnigs Perfektionswillen zeugt: „Text ausbessern“, vermerkte sie noch darauf.
Im Garten des österreichischen Pavillons war 2019 Renate Bertlmanns Installation mit Rosen aus Muranoglas zu sehen. Nun kommt Nr. 23 der mit einem scharfen Messer versehenen fragilen Schönheiten unter den Hammer, von denen es insgesamt 50 Stück gibt.
Musische Inspiration
Von Martha Jungwirth hält die Auktion ein farbenprächtiges „intelligentes Fleckengefüge“bereit und von Brigitte Kowanz die Neonarbeit Light is what we see, womit die 2022 verstorbene Künstlerin die zentrale Voraussetzung ihrer Arbeit in einem Satz zusammenfasste.
Zenita Komad, eine der Vertreterinnen der jüngeren Generation, liefert mit der Arbeit Leda und der Schwan eine Neuinterpretation eines alten erotischen Themas. Sie hat dafür die Leinwand mit Stoff überzogen und ihr so eine Körperlichkeit verliehen, die auch den Soft Sculptures von Cosima von Bonin eigen ist: Untitled (Fence) heißt das wabbelige Exemplar, das die üblichen Assoziationen mit einem „Zaun“gewitzt unterläuft. Für Irritationen beim Betrachten sorgen auch die Bilder von Esther Stocker: Dieses Mal handelt es sich um eine reduzierte rhythmische Abstraktion (2003), für die – das legt das Bild nahe – vielleicht elektronische Musik eine Inspirationsquelle war.