Zeitung im Kopf
Alle Zeichen auf Frieden. So gehört es sich auch in der Vorweihnachtszeit. Und alle, die mit der Familie gezittert haben, können nach der Lektüre von Fellners „Seitenblicken“aufatmen. Im Scheidungsprozess zwischen HC und Philippa Strache kam es Anfang der Woche zu einer überraschenden Wende. Trotz Betrugs machte die Nationalratsabgeordnete ihrem NochEhemann ein großzügiges Friedensangebot. Die 35-Jährige hat in einem geheimen Treffen fast allen Forderungen von HC zugestimmt. Damit verzichtet sie auf HCs alleiniges Schuldeingeständnis an der gescheiterten Ehe, auf lebenslange Unterhaltszahlungen von über 500 Euro pro Monat und auf jeden Anspruch auf gemeinsame Einrichtung. Nur weg.
Auf Straches alleiniges Schuldeingeständnis an der gescheiterten Karriere haben schon viele verzichtet. Wegen Uneinbringlichkeit, trotz Betrugs. Nicht jede Nationalratsabgeordnete wäre so großzügig, zumal die Unterhaltszahlungen aus dem Staatssäckel bei ihr voraussichtlich nicht auf lebenslänglich ausgelegt sind. Aber noch ist nicht alles unter Dach und Fach. Einziger Punkt, der die einvernehmliche Lösung zu Fall bringen könnte: Philippa will das alleinige Sorgerecht für Sohn Hendrik. Das stellte ihrem mütterlichen Verantwortungsbewusstsein ein schönes Zeugnis aus.
Interessantes aus der Welt der Diplomatie wusste die „Kronen Zeitung“zu vermelden. Botschafter als Schnitzel-Fan. Es ist nämlich so: Der Italiener Stefano Beltramo zieht nach einem Jahr Bilanz: Er fühlt sich in Österreich wie zu Hause und hat noch viel zu tun. Der Top-Diplomat aus der schmucken Romeo-und-Julia-Stadt Verona mit der famosen Arena ist seit einem Jahr die politische Vertretung Italiens in Österreich. Der Fußballfan, der seinem zweifellos famosen Heimatverein Hellas Verona die Daumen drückt, hat selbst auch schon gefragte Bücher zu den Themen Italiener in China, Kuwait, Golfkrieg und der Islamischen Revolution publiziert. Das kann er, denn Sonntagmittag kommt bei der „famiglia“Beltrame regelmäßig ein Schnitzel auf den Tisch. Das ist sein Heimvorteil gegenüber den Italienern in China und Kuwait. Von der Weltmeisterschaft in
Katar angewiderte Fußballfans haben dank der „Krone“nun die Möglichkeit, Hellas Verona die Daumen zu drücken.
Auch an anderen Stellen gingen Redaktricen des Blattes der Sinnfrage an handverlesenen Zeitzeugen nach. Einer war der Innenminister. Was die Diskussion über die Menschenrechtskonvention betrifft, sagte der Rächer aus Texingtal: „Mir ist alles recht, entscheidend ist, dass ich die Möglichkeit habe, konsequenter und schärfer einzuschreiten – und zwar rasch.“Ob er sich damit in der Tonalität deutlich von den meisten seiner Vorgänger unterscheidet, darf bezweifelt werden.
In den Kampf um die Erhaltung der „Wiener Zeitung“hat sich am Wochenende der Schriftsteller Franzobel in derselben mit einem Ausflug in die Pathologie eingeschaltet. Die „Kronenzeitung“ist der Hirnersatz der Österreicher, berief er sich auf einen befreundeten Chirurgen. Früher nämlich, weil die Pathologen bequem waren, gaben sie im Anschluss an die Prozedur das entnommene Gehirn nicht mehr zurück in den Schädel, sondern stopften es in den offenen Bauchraum der Leiche. Damit nun nicht die Augen in den leeren Kopf fielen, musste man ihn ausstopfen, und dafür nahm man im Regelfall die „Kronenzeitung“.
Nach diesem Exkurs in die Zeit, als es noch Usus war, jeden Toten zu sezieren, kam der Schriftsteller zu der Forderung: mehr „Wiener Zeitung“in die Köpfe, und ging mit gutem Beispiel voran: Die „Wiener Zeitung“hätte ich als Toter gern im Kopf. Sie ist einfach eine gute Zeitung. Keine, die viel Lärm macht, aber doch ein sanftes Hintergrundgeräusch erzeugt, wenn sie die Haut der Wirklichkeit in Druckerschwärze gießt.
Ein gewagtes Bild, gewiss. Aber warum nicht, wenn es der guten Sache dient! Denn gegen einen anderen Medienzampano läuft ein Verfahren wegen sexueller Belästigung, und wenn man sich ansieht, auf welchen Events sich manche Medienmacher durchbusseln, muss einem angst und bange werden ob der Verschmelzungen ins Schleimige.
Verschmelzungen ins Schleimige
sind die Sache der „Wiener Zeitung“
nicht. Deshalb wäre es der Medienministerin zu empfehlen, das Blatt im Kopf zu behalten. Wer weiß, was nach dem Leben kommt.