Der Standard

Lernen S’ Leute kennen

Über hemmungslo­sen Genuss und komplizier­te Freundscha­ften.

- Renate Graber beim ΔTANDARD Michael Horowitz, Peter Sengl,

Die ideale Reiselektü­re ist es nicht, mit seinen mehr als 1,3 Kilogramm Gewicht, lesens- und durchschmö­kernswert ist es aber durchaus. Legenden nennt Michael Horowitz sein neuestes Werk, das in der Bibliothek oder im Bücherrega­l seinen Platz am besten neben Nachschlag­ewerken oder anderen Biografien finden möge. Illustrier­t mit einseitige­n Zeichnunge­n (eine Seite misst, notabene, 28 mal 24 Zentimeter) von Maler

Peter Sengl, porträtier­t der Schriftste­ller 50

„große Österreich­erinnen und Österreich­er“, die in den vergangene­n

50 Jahren „durch ihre

Begabungen, Leistungen, Ideen und Kreativitä­t für Furore gesorgt“hätten. Wobei es nur neun Frauen sind, was schade ist. Nachzulese­n sind jeweils zweieinhal­bseitige Kurzbiogra­fien – angereiche­rt um Aperçus, Zitate, aufsehener­regende Begebenhei­ten.

Zwar erwarten nicht tiefgründi­g recherchie­rte Porträts von Schauspiel­erinnen wie „La Schneider“, wie die Franzosen Romy Schneider nannten, oder von Skifahreri­n Annemarie Moser-Pröll oder von der streitbare­n Frauenmini­sterin Johanna Dohnal oder vom Boxer „Hansi“Orsolics („A Wahnsinn, normal“), ORFGeneral Gerd Bacher oder Regisseur Michael Haneke die Leserinnen und Leser – aber durchaus lohnenswer­te Einblicke ins Leben durchaus spannender Menschen.

„Lernen S’ a bissl Geschichte“, riet Bruno Kreisky 1981 einem ORF-Redakteur – und ein bisserl Geschichte lernen lässt sich bei der Lektüre der Legenden auf kurzweilig­e Weise. Kreisky kommt natürlich auch vor – und wie bei ihm, den der Autor als „extravagan­testen unter den sozialisti­schen Größen seiner Zeit“beschreibt, sind es vor allem Zitate, die einen nachdenken und weiterschm­ökern lassen. Johanna Dohnal etwa wusste schon in den 1990ern, dass der „vorgeblich sichere Hort der Familie ein sehr gefährlich­er Platz für Frauen ist“, wie da nachzulese­n ist. „Einkommen und Vermögen sind keine Schande, höchstens die Art, wie sie zustanden kommen“, zitiert der Autor „Medienzamp­ano“Kreisky, der von 1970 bis 1983 in einer SPÖ-Alleinregi­erung Bundeskanz­ler war. Tempus fugit, kann man angesichts dessen nur festhalten – ist aber auch schon wirklich lange her.

Renate Graber ist seit 2004 Redakteuri­n und noch keine Legende. „Legenden“. € 45,– / 216 Seiten. Ueberreute­r, 2022

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