Metafiktion mit Schuss
Literatur ist gut, Literatur über Literatur ist besser.
Wer Fiktion schreibt, versucht zumeist im Schweiße seines Angesichts für Leserinnen und Leser aus Worten eine stringente Welt zu bauen, an die sie glauben können. Metafiktive Texte dagegen stoßen ihre Leserinnenschaft mit der Nase darauf, dass sie fiktiv sind, anstatt es zu verschleiern. Leichter zu schreiben sind sie aber auch nicht, ganz im Gegenteil. Doch gibt es ein paar Kniffe:
Zum Beispiel: sich als
Autor selbst zu einer
Figur im Buch machen, die eigene Literatur oder die von anderen in den
Text hineinweben (Pluspunkte gibt es, wenn die Zitierten selbst metafiktionale Autoren sind, wie zum Beispiel Jorge
Luis Borges) oder den
Erzähler des Romans den Entstehungsprozess desselbigen beschreiben lassen.
Der Linzer Umberto Eco, Literaturwissenschafter und Autor Stefan Kutzenberger, kann das alles aus dem Effeff. In seinem dritten Roman namens Kilometer null, den man nur als metafiktionales Wimmelbild bezeichnen kann, setzt er dem Ganzen aber auch noch die Krone auf: Er imaginiert einen Weltkrieg, für den unterschiedliche Literaturauffassungen verantwortlich sind. Auf der einen Seite die fiktionalen, auf der anderen, in einem untergehenden Europa, die realen. Um Asyl in den Ländern der fiktionalen zu bekommen, muss man beweisen, dass man selbst eine fiktionale Figur ist.
Vor diesem Hintergrund erzählt Kutzenberger die aberwitzige Geschichte vom unzeitigen Ende seines Protagonisten Stefan Kutzenberger durch einen Kopfschuss in der uruguayischen Grenzstadt Santa María. Auch dieser Ort ist so fiktional wie geborgt; erfunden wurde er von Juan Carlos Onetti, den die Romanfigur Kutzenberger noch kurz vor seinem Ableben liest.
Klingt manieriert oder gar didaktisch? Ist es nicht! Denn Kilometer null lässt sich genauso gut als Romanze, Verwechslungskomödie, Krimi, als Satire auf den Literaturbetrieb oder Parabel auf zeitgemäße Fragestellungen und Debatten – Stichwort: Spaltung der Gesellschaft – lesen. Mit viel Selbstironie, Raffinesse und Menschlichkeit setzt Kutzenberger der Bibliophilie ein schwungvoll erzähltes Denkmal.