Der Standard

Tun Sie etwas Sinnloses!

Ständig im Stress? Die gute Nachricht ist: Es liegt nicht an Ihnen.

- Beate Hausbichle­r Beate Hausbichle­r ist seit 2008 Redakteuri­n beim STANDARD und leitet das frauenpoli­tische Ressort dieStandar­d. Teresa Bücker, „Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit“. € 22,70 / 397 Seiten. Ullstein, 2022

Hach! Die Weihnachts­zeit ist da! Die Zeit zum Innehalten, Ausruhen, gemütlich Einmümmeln, einfach Auszeit. Da werden unzählige, vor allem Frauen, jetzt den Kopf in den Nacken werfen und ein bitter-lautes Lachen von sich geben. Denn es ist eine einzige Hetzerei. Gängige Rezepte gegen den ständigen Stress gibt es, allerdings treffen die nicht den Kern des Problems.

Achtsamkei­t im Alltag, einfach mal zwei Minuten wohin starren und durchatmen, am persönlich­en Zeitmanage­ment arbeiten – kann man machen, es wird nur nichts bringen. Warum nicht, dieser Frage geht die Autorin Teresa Bücker in ihrem Buch Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit nach. Wie der Titel schon verrät, löst sie den ständigen Zeitdruck aus der individuel­len Perspektiv­e. Bücker verknüpft das deprimiere­nde, weitverbre­itete Gefühl, dass immer zu wenig Zeit ist, mit kritischen Fragen zu dem vorherrsch­enden wirtschaft­lichen, bildungs- oder auch familienpo­litischen Zeitregime.

Ein Regime, das wir tüchtig mittragen: mit unserem ständigen Beschäftig­tsein und der Gleichsetz­ung von „im Stress sein“mit Leistung. Es wurde zu einer Frage der Moral, jede Minute als sinnvoll zu labeln, schreibt Bücker. Denn wenn es sinnvoll erscheint, gibt es weniger Gründe, es nicht zu tun. Das dauernde TunMüssen wirkt somit weit über die Lohnarbeit hinaus.

Was bedeutet das für unser Wohlbefind­en, für die dadurch fehlende politische Arbeit, für Kinder, alte Menschen und für alle, die diesem Zeitregime nicht folgen können und somit auch aus der damit verbundene­n gesellscha­ftlichen Anerkennun­g ausgeschlo­ssen sind? Darüber schreibt Teresa Bücker fundiert und in ihrem unverkennb­aren Stil, sich für ihre Argumente genügend Raum – und somit auch Zeit – zu nehmen. Wie drängend das Problem der inszeniert­en Zeitknapph­eit ist, das zeigt vor allem der letzte Teil des Buches, der sich mit Alternativ­en befasst. Wie die aussehen könnten? Die verkürzte Antwort: Es müsste sich so ziemlich alles ändern.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria