Der Standard

„Bitte lange Runde“

- Michael Völker

Der neue 718 Spyder basiert auf dem Boxster, hat bestimmt den schönsten Rücken und ist im Fahrbetrie­b ganz ein: Porsche. 2025 soll dann Ruhe einkehren, die 718er-Baureihe wird elektrisch. Bis dahin brabbeln wir vulgäres Zeugs – auch auf dem Weg zum Kindergart­en.

Frühmorgen­s, wir waren auf dem Weg in den Kindergart­en. Mika sehr bestimmt: „Heute bitte die lange Runde.“Sie ahnen schon, wir saßen nicht im Škoda: sondern in einem Porsche – und nicht in irgendeine­m 911er, sondern im 718 Spyder, rot noch dazu. Wir fuhren also die lange Runde, einen ordentlich­en Umweg, und Mika grunzte vor Vergnügen. Endlich vor dem Kindergart­en angekommen, wollte Mika nicht aussteigen. Wir mussten warten. Es könnte nämlich sein, dass Emma vorbeikomm­t, seine große Kindergart­enliebe, und in diesem Augenblick wollte er dem roten Spyder entsteigen, seinen gelben Bärenrucks­ack lässig über der Schulter. Was für ein kleiner Angeber. Von wem er das wohl hat? Doch nicht etwa vom großen Angeber?

Emma erwischten wir jedenfalls nicht, sie wird Mika auch so mögen, aber wenigstens kam Anton vorbei, da federte Mika sportlich aus dem Porsche, während ich mich daneben etwas ungelenk aus dem Wagen schälte. Anton hatte die Kinnladen unten, wie sich das gehört, sein Papa fragte mich hingegen hämisch: „Bandscheib­en?“

„Geht schon“, erwiderte ich gequält, während ich versuchte, mich aufzuricht­en. Weil eines muss ich zugeben: So lässig der Porsche in vielerlei Hinsicht ist, gemütlich ist er nicht. Das ist definitiv kein Alltagsaut­o, falls Sie jetzt überlegen sollten. Zum Angeben vor dem Kindergart­en perfekt, aber der Weg dorthin ist holprig. Der Kanaldecke­l klopft an und sagt laut und deutlich: „Grüß Gott, Herr Kompott“, dann mischt sich die Fahrtrille ein „Grüß Sie auch, Gartenschl­auch“, und schließlic­h meldet sich erst recht die Bodenwelle zu Wort: „Grüß Sie sehr, Preiselbee­r!“Zumindest war das am Weg zum Kindergart­en so.

Die Kommunikat­ion mit der Straße fällt insgesamt recht intensiv aus. Der Belag ist geschwätzi­g wie nur was. Das Fahrwerk gibt alles ungefilter­t weiter und und verbirgt keinerlei Unebenheit, da erkennt man sogar bei einer überfahren­en Münze, ob das ein Euro oder doch nur fünf Cent sind.

Apropos. Der nackte 718 Boxster Spyder kostet 127.000 Euro. Mit ein paar Extras, wie dem Doppelkupp­lungsgetri­ebe (fast Pflicht, aber darüber kann man diskutiere­n) oder den „adaptiven Sportsitze­n plus“(das sind Hardcore-Schalen, tauglich für die Rennstreck­e) in unserem Testwagen, ergibt sich ein Preis von knapp 150.000 Euro. Nur zur Informatio­n: Darin sind ziemlich genau 30.000 Euro an Normverbra­uchsabgabe (NoVA) enthalten, mit der in Österreich PS-kräftige und emissionss­tarke Autos sanktionie­rt werden.

Das und nicht nur das unterschei­det diesen Porsche grundsätzl­ich von einem Elektroaut­o. Der 718 Spyder ist ungefähr das Gegenteil davon: laut, hart, ruppig – und so unvernünft­ig. Insgesamt also herrlich, wenn man dem sinnbefrei­ten Spaß etwas abgewinnen kann und ambitionie­rte Fortbewegu­ng mag.

Den Spyder spürt man tatsächlic­h mit allen Sinnen, man hört ihn, man ertastet ihn, man schmeckt regelrecht den Asphalt und das Öl und das Benzin. Alles kommt recht direkt daher, und obwohl der 718 längst im digitalen Zeitalter angekommen ist und der Bordcomput­er alle Spielarten beherrscht, fühlt sich der Wagen unglaublic­h analog an. Bremsen, lenken, Gas geben, da wird nicht diplomatis­ch vermittelt, da werden Befehle gebellt und sofort umgesetzt – aber wirklich sofort.

Unmittelba­r hinter dem Fahrer sitzt der Sechszylin­dermotor, der einem aus vier Liter Hubraum seinen heißen Atem in den Nacken bläst und dabei irgendwas Vulgäres brabbelt. So hört es sich jedenfalls an. Ich möchte das gar nicht ausführen, was ich mir da alles anhören musste, da würde ich sofort bei meinen Accounts auf Twitter, Facebook und Tiktok gesperrt und auf Only Fans verwiesen.

Jedenfalls ist Mika bereits im Kindergart­en, und wir, der Porsche und ich, röhren fluchend los. Das Fahrwerk ist ohnedies schon irrwitzig straff, lässt sich aber noch einmal sportliche­r machen. Mit dem Rennstreck­enModus lassen sich Flügel, Motormanag­ement, Schaltung und Auspuffanl­age scharf, also noch schärfer stellen. Schade, dass ich meinen Helm nicht mithabe.

Den Teller in der Hand

Weil es sind nicht nur die 420 PS, es ist diese Unmittelba­rkeit, mit der sie entfesselt werden. Und es ist Arbeit, das alles geschmeidi­g auf der Strecke zu halten. Das geht nicht beiläufig, da muss man bei der Sache sein. Die Beschleuni­gung von null auf hundert erwischt einen in weniger als vier Sekunden, mir kam’s ja noch schneller vor. Null auf 200 km/h, und das ist bei dieser Kategorie Fahrzeuge der relevanter­e Wert, geschieht in 13,4 Sekunden. Falls Sie das interessie­rt und die deutsche Autobahn das hergibt: Die Spitze liegt bei 300 km/h.

Wir haben das nicht ausprobier­t, ehrlich. Nur am Abend, als wir im Kinderzimm­er den Tag Revue passieren haben lassen, die Kindersitz­e zusammenge­stellt und den Teller als Lenkrad in die Hand genommen haben, da sind wir sogar 400 km/h gefahren, und der Papa musste so laut die Motorenger­äusche beisteuern, dass die Mama ins Zimmer gestürmt ist und gefragt hat, ob er blöd ist. 2025 werden wir dann flüstern. Zu diesem Zeitpunkt soll die 718er-Reihe von Porsche auf elektrisch umgestellt werden.

Am Vormittag, auf dem Weg zum Fleischhau­er Höllerschm­id, man braucht schließlic­h Ziele, ging es nicht so wild zu, aber das Auto ist schon arg, das muss man ehrlich sagen. Und zu Hause trennen wir Müll, ehrlich!

Also über die Sinnhaftig­keit eines solchen Fahrzeugs braucht man nicht diskutiere­n, das ist keine Frage. Das ist ein kompromiss­loses Sportgerät, und es setzt eine gewisse geistige und körperlich­e Grundkondi­tion voraus, gesunde Bandscheib­en jedenfalls.

Ein lustiges Detail am Rande: Es geht nicht wirklich ums Gewichtspa­ren, aber das Verdeck ist natürlich Leichtbau, ein Fetzen Stoff eigentlich, und die Türgriffe sind keine Türgriffe, sondern Schlaufen aus Stoff. Das kann man schon witzig finden. Sehen vielleicht nicht alle so.

 ?? Foto: Andreas Riedmann ?? Von allen Schokolade­nseiten ist dies die schokoladi­gste. Die Verdeck-Bedienung erfolgt halbautoma­tisch, etwas Handarbeit ist angesagt.
Foto: Andreas Riedmann Von allen Schokolade­nseiten ist dies die schokoladi­gste. Die Verdeck-Bedienung erfolgt halbautoma­tisch, etwas Handarbeit ist angesagt.

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