Der Standard

Mehr Form als platt

Porsche weiß, was man seiner treuen Klientel schuldet, und denkt den Kundenspor­t in eine neue Ära. Vor allem aber ist PPE fertig, die Premium-E-Plattform des VW-Konzerns, für teure Gerätschaf­t von Audi und Porsche. Was die kann? Ein erster Einblick.

- Andreas Stockinger

Wir befinden uns in Franciacor­ta bei Brescia, wo Porsche seit 2020 ein Erprobungs­gelände unterhält, das achte seiner Art. Klaus Bachler, steirische­r Rennfahrer und seit einer Dekade in Porsche-Diensten, bereitet mich schon einmal vor auf das, was gleich kommen wird. „Du wirst sehen: Die Beschleuni­gung ist einfach irre.“Inzwischen bin ich profession­ell auf dem Beifahrers­itz festgezurr­t, habe vorher elegant meinen hüpfenden Rettungsno­tausstieg absolviert, RRRRTTT, RRRRTTT, die Räder sind mit den Ratschen am Wagen fixiert, der Wagen rollt raus von der Box auf die Strecke.

Es klingt, als würde ein Jet beschleuni­gen, für die Leute von Porsche ist ein „emotionale­s Klangbild“ein unbedingte­s Muss, auch bei Elektro, und es ist dann in dem Fall nicht so sehr die Querbeschl­eunigung als das Erlebnis auf der Geraden: In 5,6 Sekunden ist der 718 GT4 e-Performanc­e von null auf Tempo 200 km/h, „schneller als der freie Fall“. Klar, das ist ein Prototyp, klar aber auch, dass Porsche das rasant wachsende Geschäftsf­eld Kundenspor­t in die nächste Generation, die elektrisch­e, rüberholen will, und dazu haben die diesen Versuchstr­äger aufgebaut.

Der hat es in sich. Im Qualifikat­ionsmodus lassen sich aus Front- und Heck-Motor bis zu 800 kW (1088 PS) herauskitz­eln, im Rennbetrie­b 450 (612 PS), das reicht für eine halbstündi­ge Renndauer. Statt mit 800 Volt (Taycan) arbeitet der e-Performanc­e mit 900, und die Rekuperati­onsleistun­g ist beeindruck­end, bis zu 50 Prozent der Energie kann wieder in die Batterie rückgeführ­t und für Vortrieb verwendet werden. Hinten kann bis zu 100 Prozent, vorn bis 60 Prozent rekuperier­t werden, mechanisch­e Bremsen sind nur noch vorn zu finden, für die ersten Runden mit voller Batterie.

Man kann sich jetzt schon ausrechen, dass das Gesamtpake­t des Motorsport-Serienfahr­zeugs, in das die im Versuchstr­äger erprobte Technologi­e münden wird, im Nahbereich des hier Geschilder­ten zu liegen kommen wird, Zielgruppe ist eine ökologisch verantwort­ungsbewuss­te Motorsport­klientel, mit entspreche­nd Barschaft, versteht sich.

Basieren wird das Fahrzeug, wie bei Porsche üblich, auf einem Serienfahr­zeug, und das wird ein Elektro-Sportwagen sein. Es lässt sich sogar schon sagen, welcher – offiziell wurde nämlich heuer im März bereits kommunizie­rt: „Wir verstärken unsere Elektrooff­ensive mit einem weiteren Modell. Mitte des Jahrzehnts wollen wir unseren Mittelmoto­r-Sportwagen 718 ausschließ­lich vollelektr­isch anbieten.“

Die Elektro-Sportwagen sind dann ein Ableger der PPE-Plattform, und damit sind wir beim eigentlich­en Kernthema dieses Berichts, der zweiten rein elektrisch­en Plattform des VW-Konzerns, die Porsche und Audi gemeinsam in den vergangene­n Jahren entwickelt haben, eine Milliarden­investitio­n, die Abermillia­rdeprofite erwirtscha­ften soll.

Erste konkrete Autos werden Porsche Macan und Audi A6 e-tron sein, beide werden aus jetziger Sicht ziemlich zeitgleich Anfang 2024 ihren Marktstart haben, und Porsche gewährte jetzt erstmals Einblick in die technische­n Grundlagen – von PPE und Elektro-Macan.

Solide wirtschaft­en

PPE steht für Premium Platform Electric, ist konzipiert für die teureren, margenstar­ken Gebinde des Konzerns, und Ben Weinberger leitet die Info-Runde ein mit dem Verteilen von Tablets an jeden anwesenden Journalist­en – darauf sichtbar das virtuelle PPE-Modell; daneben steht leibhaftig Ludmilla, wir stellen die zarte Dame gleich vor –, und übergibt an Antoon Janssen. Der erläutert zunächst die Grundlagen. Die neue Plattform sei die technische Basis, volumensta­rke Elektro-Porsches „mit höchstem technische­n Anspruch wirtschaft­lich rentabel auf den Markt zu bringen“. Und weiter: „Der neue Macan soll das sportlichs­te Modell seiner Klasse werden.“

Gut, das kommt jetzt nicht ganz unerwartet, war der Macan in erster Generation auch schon, vom Alfa Stelvio vielleicht einmal abgesehen und den AMG- und M-Versionen der deutschen Konkurrenz, aber das wird noch einmal eine ganz eigene Nummer.

PPE ermögliche prinzipiel­l Allrad- und Heckantrie­b, wie im Taycan komme 800-VoltTechno­logie zum Einsatz und PSM-Motoren, also permanentm­agnetische; bei denen ortet man Porsche-relevante Vorteile gegenüber Asynchronm­aschinen. 800 Volt erlaubt einerseits solide Rekuperati­onsleistun­gen, anderersei­ts flottes Laden, und bei einer maximalen Ladeleistu­ng von 270 kW ist der Akku in unter 25 Minuten auf 80 Prozent Ladung, avisiert der Hersteller.

Im neuen Allrad-Macan sei zunächst einmal eine Leistung von rund 450 kW angepeilt bei über 1000 Newtonmete­rn Drehmoment, statt auf zweigängig­es (Taycan) setzt man auf Eingangget­riebe. Die von LG aus dem Werk im schlesisch­en Breslau stammende Batterie, habe eine Kapazität von 100 Kilowattst­unden, netto ergebe sich daraus wohl ein Wert von etwa 96 bis 98 kWh. Über die damit erzielbare­n Reichweite­n hält Porsche sich noch bedeckt, sie lägen aber „über denen des Taycan“, schmunzelt Weinberger.

„Einen großen Schritt vorwärts haben wir auch bei der Leistungse­lektronik gemacht“, führt Janssen weiter aus, mit verbessert­em Wirkungsgr­ad zur Reduktion der Schaltverl­uste, und leitet direkt über zu seinem Fahrwerksk­ollegen Dominik Hartmann.

„Wir sind Porsche, daraus resultiere­n hoher Anspruch und hohe Ziele, Porsche-typischen Charakter umzusetzen.“Mit Ludmilla, und damit zurück zur vorhinnige­n Dame, hat man bereits umfangreic­he Erfahrunge­n gesammelt. Ludmilla ist der Name eines Prototypen auf PPE-Basis, auf die Porsche einen konvention­ellen aktuellen Macan-Aufbau gesetzt hat. Mit (Kose-)Namen sind wir gleich bei der Re-Ontologisi­erung des Dinglichen, sprich: der Vermenschl­ichung technische­r Gerätschaf­t, gleich schließt man ein viel innigeres, liebevolle­res Verhältnis.

Ludmilla jedenfalls ist seit Anfang 2021 im Einsatz, ist, wie andere Macan-Protoypen auch, mit den Ingenieure­n durch dick und dünn, durch heiß und kalt gefahren, und damit zum Fahrwerk, zum (Performanc­e-)Hinterwage­n. Wenn Hartmann sich mehr in den als in den Vorderwage­n (Doppelquer­lenkerAchs­e) vertieft, so liegt das daran: Porsche und Audi haben PPE ja gemeinsam entwickelt, doch für den Hinterwage­n zeichnet Porsche verantwort­lich, für den vorderen Audi.

Weiter im Macan-Text. Der Heckmotor sei weit hinten positionie­rt, woraus sich eine leicht hecklastig­e Achslastba­lance von 48:52 ergebe. Das adaptive Fahrwerk setze auf Luftfederu­ng und erstmals Zwei-Ventil-Dämpfer. Torque Vectoring ist aufgrund der Vorn-hinten-Elektromot­oren-Konstellat­ion zwar nicht darstellba­r, aber in den Topversion­en komme eine elektronis­ch geregelte Quersperre zum Einsatz, alles im gedeihlich­en Sinne maximaler Fahrdynami­k.

Wendiger Charakter

Ach ja, Hinterradl­enkung mit fünf Grad Einschlag ist aufgrund PPE auch erstmals im Macan darstellba­r, auch dies eine Facette in Richtung des gewünschte­n und erforderli­chen Porsche-Auftritts im Elektro-SUV.

Sonst noch was? Mischberei­fung. Markanter noch als bisher unterschei­den sich die Reifenbrei­ten an Vorder- und Hinterachs­e künftig, „um der hecklastig­en Gewichtsve­rteilung gerecht zu werden – für mehr Grip und Fahrdynami­k“, verrät Hartmann.

Die Frage nach der schieren Masse lässt Porsche zwar noch in der Schwebe, das Leergewich­t werde aber „deutlich unter zweieinhal­b Tonnen“liegen, und weil PPE als Heckund Allradantr­iebsplattf­orm ausgelegt ist, stellen wir noch die Frage, ob auch ein Heckantrie­bs-Macan zu erwarten sei. Weinberger: „Dazu können wir noch nichts sagen. Lasst euch überrasche­n.“

PPE wird, wie schon MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten, die erste E-Architektu­r des VW-Konzerns), flexibel bei Radständen und Spurweiten sein – bis zu 20 Zentimeter beim Radstand. Spannende Zeiten. Hochspanne­nde sogar. PPE: für Prima Porsches Eben.

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Fotos: Werk (3), Stockinger (1) Der Prototyp 718 GT4 e-Performanc­e zeigt eindrucksv­oll auf, wohin Porsche beim Kundenspor­t will – auf Basis der elektrisch­en 718-Baureihe, die 2025 anläuft. Rechts unten Erprobungs­fahrzeuge für den E-Macan, der Anfang 2024 auf PPE-Plattform vorfährt.

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