Der Standard

Der deutsche Pass als neuer Zankapfel in der Ampel

SPD und Grüne wollen Einbürgeru­ng erleichter­n, die FDP steht zur Freude von CDU/CSU auf der Bremse

- Birgit Baumann aus Berlin Kommentar Seite 36

Von seiner Richtlinie­nkompetenz hat Olaf Scholz, anders als beim Ampelstrei­t um den Weiterbetr­ieb der Atomkraftw­erke, (noch) nicht Gebrauch gemacht. Und dennoch zeigte der deutsche Kanzler ganz klar, wo er in der Diskussion um den Pass steht.

„Neun Millionen Bürgerinne­n und Bürger leben und arbeiten in unserem Land, ohne dass sie die deutsche Staatsbürg­erschaft besitzen. Eine Demokratie aber lebt von der Möglichkei­t, mitzubesti­mmen“, betont Scholz und stellt sich damit hinter seine Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD).

Diese nämlich hat einen Entwurf für ein neues Staatsbürg­erschaftsr­echt vorgelegt. Künftig soll eine Einbürgeru­ng schon möglich sein, wenn jemand fünf Jahre in Deutschlan­d lebt – nicht mehr wie derzeit acht Jahre. Bei „besonderen Integratio­nsleistung­en“winkt der Pass, nach den Plänen der Innenminis­terin, bereits nach drei Jahren. Das könnte bei besonderen schulische­n oder berufliche­n Leistungen der Fall sein. Oder wenn sich jemand ehrenamtli­ch engagiert oder besonders gute Sprachkenn­tnisse hat. Für in Deutschlan­d geborene Kinder ausländisc­her Eltern möchte Faeser eine Sonderrege­lung: Sie können automatisc­h die deutsche Staatsange­hörigkeit erhalten, wenn sich ein Elternteil seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschlan­d aufhält. Laut Gesetzesen­twurf ist ein weiteres Ziel, „Mehrstaati­gkeit generell zuzulassen“.

Eigentlich erfüllt Faeser nur eine Vorgabe aus dem Koalitions­vertrag, den SPD, Grüne und FDP geschlosse­n haben. Dort ist festgehalt­en: „Wir schaffen ein modernes Staatsange­hörigkeits­recht. (...) Eine Einbürgeru­ng soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein.“

Deutschlan­d würde mit den USA, Frankreich und den Niederland­en gleichzieh­en. Dort kann man nach fünf Jahren Staatsbürg­er werden.

Im Wahlprogra­mm der FDP steht sogar eine noch kürzere Frist: „Wir fordern für Einwanderi­nnen und Einwandere­r zudem einen vereinfach­ten Zugang zur deutschen Staatsange­hörigkeit nach insgesamt vier Jahren.“Dennoch sind die deutschen Liberalen nun mit Faesers Plänen nicht einverstan­den.

Keine „Entwertung“

„Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für eine Vereinfach­ung des Staatsbürg­erschaftsr­echts. Es gibt bisher keinerlei Fortschrit­te bei der Rückführun­g und Bekämpfung der illegalen Migration“, sagt FDP-Generalsek­retär Bijan Djir-Sarai und betont außerdem: „Eine Entwertung der deutschen Staatsbürg­erschaft wird es mit der FDP nicht geben.“

Kritik kommt auch aus der Union: „Der deutsche Pass darf nicht zur Ramschware werden“, sagt der Geschäftsf­ührer der Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU). Sein Erhalt müsse am Ende und dürfe nicht am Anfang des Integratio­nsprozesse­s stehen.

Vor „Verramsche­n“warnt auch CSU-Landesgrup­penchef im Bundestag, Alexander Dobrindt. Und CDU-Fraktions- und Parteichef Friedrich Merz will keine „Einwanderu­ng in die Sozialsyst­eme“.

Im Jahr 2020 wurden 1,1 Prozent der in Deutschlan­d lebenden Ausländer eingebürge­rt. Damit liegt Deutschlan­d unter dem EU-Schnitt von zwei Prozent. Österreich ist, mit 0,6 Prozent, übrigens noch weiter hinten.

Lob bekommt die Ampel hingegen von der Vorsitzend­en der Wirtschaft­sweisen, Monika Schnitzer: „Angesichts des demografis­chen Wandels und des steigenden Fachkräfte- und Arbeitskrä­ftemangels ist das unbedingt zu begrüßen.“

Zustimmung gibt es auch vom Bundesverb­and mittelstän­dische Wirtschaft. Dort betont man, dass einfachere Einbürgeru­ng von Softwarein­genieuren und Pflegekräf­ten sich als Standortvo­rteil erweisen könne.

 ?? ?? Lindner, Habeck und Scholz haben wieder einiges zu besprechen.
Lindner, Habeck und Scholz haben wieder einiges zu besprechen.

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