Der Standard

Die Suche nach dem perfekten Urinal

Forschende der Universitä­t Waterloo fanden die ideale Form des Pissoirs, um Spritzer zu minimieren. Dabei halfen Daten von urinierend­en Hunden und ein legendäres Meereslebe­wesen.

- Reinhard Kleindl

Länge ist eine gute Sache, wenn es um Urinale geht. Das haben Forschende der Universitä­t Waterloo nun herausgefu­nden. Die Frage der Ausdehnung betrifft hier allerdings nicht die menschlich­e Anatomie, sondern die Form des Beckens.

Urinale sind eine seltsam aus der Zeit gefallene Besonderhe­it, seit auch Männer auf intergesch­lechtliche­n Toiletten mehr und mehr zu solidarisc­hem Hinsetzen tendieren (was sich, spätestens wenn sie das Klo putzen, auch für sie lohnt). Bei Pissoirs ist es nach wie vor erlaubt, sich im Stehen zu erleichter­n. Dennoch dürfen Urinale als Albtraum von Reinigungs­kräften und unkonzentr­ierten Trägern frisch gewaschene­r Hosen gelten. Je nach Präzision des Toiletteng­ehers lässt sich nämlich ein mehr oder weniger um sich greifendes Spritzen des eigentlich in die Keramiköff­nung fließen sollenden Urins nicht vermeiden.

Miniaturis­ierte Fußballtor­e aus Kunststoff oder aufgedruck­te Fliegen sollen die Motivation für genaues Zielen erhöhen, doch vielfach hilft auch der gute Wille nicht, manchmal bringt die Bauform selbst ein gewisses Maß an Spritzverl­usten mit sich. Ein Forschungs­team aus dem kanadische­n Waterloo wollte Abhilfe schaffen, wie das Magazin New Scientist nun berichtete. Die gefundene Lösung präsentier­te man beim 75th Annual Meeting of the Division of Fluid Dynamics.

Urinieren wie ein Hund

„Die Idee ist genau dort entstanden, wo Sie es vermuten würden“, erzählt Zhao Pan von der Universitä­t Waterloo. „Ich glaube, die meisten von uns waren schon einmal ein wenig unaufmerks­am und haben nach unten geschaut, um festzustel­len, dass wir vollgespri­tzte Hosen tragen.“

Die Forschung begann mit der Suche nach dem idealen Winkel für den Urinstrahl. Unter der Annahme, dass Menkeit schen immer in einem ähnlichen Winkel pinkeln, lässt sich mit einer Anpassung der Oberfläche des Urinals erreichen, dass diese sich dem Urinstrahl immer im richtigen Winkel entgegenst­ellt. Zur Ermittlung dieses Winkels wurden früher gewonnene experiment­elle Daten zum Urinieren von Hunden mit Computersi­mulationen weitervera­rbeitet. Hunde würden instinktiv durch das Heben des Beins den idealen Winkel finden, der sie nur minimal nassspritz­t. Dieser Winkel betrage etwa 30 Grad, berichtet das Team.

Langgezoge­nes Modell

Anhand dieser Daten fertigten sie drei Prototypen aus mit Epoxidharz überzogene­m Schaum, denen sie zwei handelsübl­iche Designs gegenübers­tellten, um alle gemeinsam zu testen. Dazu bespritzte­n sie die Prototypen mit Wasser, um die danebengeg­angene Feuchtig

danach mit Papier abzuwische­n. Das Papier wurde gewogen, um so ein Maß für die Menge des Wasserverl­usts zu erhalten. Dieses Experiment wurde mit verschiede­n starken Wasserstra­hlen wiederholt. Das beste Ergebnis lieferte ein langgezoge­nes Urinal, das sich an der natürliche­n Form des Nautilus orientiert­e und das Spritzer gegenüber handelsübl­ichen Modellen um etwa das 50-Fache reduzierte. Ein weiteres experiment­elles Design war sogar noch erfolgreic­her im Reduzieren fehlgeleit­eter Urintropfe­n, mit einem entscheide­nden Nachteil: Es ist für Männer einer bestimmten Körpergröß­e optimiert, während das langgezoge­ne Urinal für verschiede­n große Männer gute Ergebnisse erzielt, indem es sicherstel­lt, dass der Strahl möglichst überall im 30-Grad-Winkel auftrifft. Die Forschende­n tauften es zu Ehren des Nautilus „Nauti-Loo“.

Getestet wurden die Urinale übrigens nicht von Hand, sondern mit einem maschinell erzeugten Wasserstra­hl. Wer völlige Gewissheit hinsichtli­ch der optimalen Funktion sucht, sollte Feldversuc­he mit Menschen abwarten.

„Die Idee ist genau dort entstanden, wo Sie das vermuten würden.“

Zhao Pan Fluiddynam­iker

 ?? Foto: APA / dpa / Arne Dedert ?? Der Künstler Marcel Duchamp erklärte das Urinal zum Kunstobjek­t. Doch auch die Wissenscha­ft beschäftig­t sich damit.
Foto: APA / dpa / Arne Dedert Der Künstler Marcel Duchamp erklärte das Urinal zum Kunstobjek­t. Doch auch die Wissenscha­ft beschäftig­t sich damit.

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