Der Standard

Alles! Richtig! Gemacht!

Dem Institut für Medien, Politik und Theater gelingt mit „Gondelgesc­hichten“ein furioses Sittenbild über die Verstricku­ngen von Politik, Tourismus und Männerseil­schaften im Tiroler Landesthea­ter.

- Ivona Jelcic www.landesthea­ter.at

Wenn die Realität der Satire zeigt, wo in Tirol der Hammer hängt, dann klingt das in etwa so: „Das, was der Gletscher aufgrund von der anscheinen­den Erwärmung speziell im Sommer verliert, geben wir dem Gletscher in Form von Schnee ja dann wieder zurück. Und Schnee, sag ich immer, isch das Sonnencrem­e für das Gletschere­is.“Oder so: „Die Natur darf in unserem Business überhaupt keine Rolle spielen.“Manchmal aber auch so: „Sexismus entsteht beim Empfänger.“

Wären diese Aussagen über die segensreic­he Wirkung von Schneekano­nen, Tourismus und Sexismus erfunden, man wäre geneigt, ihnen einen übertriebe­nen Hang zum Absurden zu attestiere­n. Erfinden musste das Institut für Medien, Politik und Theater (gegründet von Regisseur Felix Hafner, Dramaturgi­n Emily Richards und STANDARD-Redakteuri­n Anna Wielander) für seine im K2 des Tiroler Landesthea­ters uraufgefüh­rten Gondelgesc­hichten aber kaum etwas. Obige Zitate, in hochkomisc­hen Lip-Synch-Szenen vorgetrage­n, stammen durchwegs von Vertretern aus der Tiroler Politund Tourismuss­zene. Mit von der Partie: der Auftritt des ehemaligen VP-Landesrate­s Bernhard Tilg in der ZiB 2 zum Krisenmana­gement in Ischgl. Alles! Richtig! Gemacht!

Die Gondelgesc­hichten begnügen sich aber nicht mit einer kabarettis­tischen Lesung aus kruden Tiroler Selbst- und Welterklär­ungsmodell­en. Reale und zum Teil auch aus der Piefke-Saga entlehnte Zitate werden geschickt in den folgenden Plot montiert: Das Land Tirol hat einen aus 50 Bürgerinne­n und Bürgern bestehende­n „Tourismusr­at“ins Leben gerufen, der Zukunftsst­rategien erarbeitet. Klingt verdächtig nach real existieren­den Strategiep­apieren zum „neuen Tiroler Weg“, der doch nur auf ausgetrete­ne Pfade führt.

Erregte Naturschüt­zer

Vier Personen aus besagtem Rat berichten umrahmt von Adlerlogos (Ausstattun­g: Julia Neuhold) von ihrer Arbeit und repräsenti­eren dabei unterschie­dliche Typen: den Speichelle­cker der Tourismusi­ndustrie (Florian Granzner), den opportunis­tischen Bürokraten (Kristoffer Nowak), die zum Zynismus neigende Pragmatike­rin (Antje Weiser), den erregten Naturschüt­zer (Jan-Hinnerk Arnke). Wenig überrasche­nd ist man sich untereinan­der nicht ganz grün, schon gar nicht in Greenwashi­ng-Fragen. Gespickt sind die coram publico geführten Diskussion­en über eingekauft­e Klimaneutr­alitätssie­gel (Ischgl) oder die Tiroler „Dreifaltig­keit“aus Bürgermeis­tern, Seilbahner­n und Tourismusm­anagern mit akribisch recherchie­rten Fakten.

Die systemisch­en Verstricku­ngen führen geradewegs zu den patriarcha­len Selbsterha­ltungsstru­kturen im politische­n Tagesgesch­äft: Dort führen weder Sexismussa­ger noch misogyne Beschimpfu­ngen („widerwärti­ges Luder“) zu Rücktritte­n, sondern ins Landeshaup­tmannstell­vertreter-Amt.

Derweil lenkt Lois Hechenblai­kner, der sich als Fotokünstl­er seit Jahren mit den Auswüchsen der Tourismusi­ndustrie beschäftig­t, den Blick auf ihre Hinterbühn­en: Seine aus hunderten Ski-Bruchstück­en gemachte Installati­on Après Ski könnte den Weg zur Katharsis markieren, aber das vierköpfig­e Ensemble verfehlt ihn grandios und mit sichtliche­m Spaß an der Sache. Für die Persiflage auf den Corona-Song Tirol haltet zsamm gibt es zu Recht Zwischenap­plaus. Man möchte dieser Produktion aber nicht nur deshalb volle Vorstellun­gen wünschen.

 ?? ?? Kommt mit ins Land der Krisenmana­ger und Sexismussa­ger: In „Gondelgesc­hichten“werden verbürgte Aussagen von Tiroler Entscheidu­ngsträgern zu einem Potpourri zusammenge­führt.
Kommt mit ins Land der Krisenmana­ger und Sexismussa­ger: In „Gondelgesc­hichten“werden verbürgte Aussagen von Tiroler Entscheidu­ngsträgern zu einem Potpourri zusammenge­führt.

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