Der Standard

Licht ins Dunkel und das Almosen-Image

- Oliver Mark dst.at/TV-Tagebuch

Alle Jahre wieder. Seit einigen Jahren poppt zur Weihnachts­zeit eine Diskussion zur Hilfsaktio­n Licht ins Dunkel auf. Tenor der Kritik: Menschen mit Behinderun­g würden zu hilflosen Almosenemp­fängern und Bittstelle­rinnen degradiert. So bekannt das Motto und so unterstütz­enswert die einzelnen Initiative­n auch sind, impliziert es dennoch, dass Menschen mit Behinderun­gen ein Leben im Schatten führen. Behinderun­g wird als Defizit, als etwas Schlechtes dargestell­t. Die zweite Tangente der Kritik: Licht ins Dunkel übernimmt die Aufgaben des Staates, Menschen mit Behinderun­gen zu unterstütz­en. Die Politik stiehlt sich aus der Verantwort­ung.

KRITISCHE DOKU VON ANDERERSEI­TS ÜBER DIE ORF-HILFSAKTIO­N LICHT INS DUNKEL

Die inklusive Online-Plattform Anderersei­ts nimmt mit einer sehenswert­en Doku einen neuen Anlauf, um die Themen aufs Tapet zu bringen. Zu Wort kommen Menschen mit Behinderun­g, Experten und Branchenve­rtreter. Sie fordern eine Abschaffun­g von Licht ins Dunkel und pochen auf die Einhaltung der UN-Behinderte­nrechtskon­vention. Und der ORF? Der will die Licht-ins-Dunkel-Sendungen nicht neu konzipiere­n. Die 50 Jahre alte Marke sei mit ihrer Strahlkraf­t so bekannt, dass ihr eine Imagekorre­ktur schaden könnte, glaubt Pius Strobl, Chef des Humanitari­an Broadcasti­ng im ORF. Der ORF habe die Marke ja eh „neu aufgeladen“– mit dem Zusatz „den Menschen sehen“. Selbstrefl­exion sieht eindeutig anders aus.

Licht ins Dunkel ist Hilfsberei­tschaft, aber auch eine Bühne für Politiker, ORF-Mitarbeite­rinnen und Unternehme­n, sie und sich öffentlich­wirksam zu inszeniere­n. Auf die Tränendrüs­en drücken und einander auf die Schulter klopfen, wie toll man nicht sei, gehört zum Konzept. Der ORF täte jedenfalls gut daran, die Kritik ernst zu nehmen. Hoffentlic­h ist da jemand?!

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