Der Standard

Wir sind uns internatio­nal genug

- Hans.rauscher@derStandar­d.at

Kennen Sie „home hospitalit­y“? Das ist ein Programm der Amerikaner, jedenfalls vor etlichen Jahren. Wenn man auf einem Seminar in den USA war, hat das USAußenmin­isterium organisier­t, dass man von völlig fremden Familien nach Hause eingeladen wird. Für einen Abend oder ein Weekend. Wildfremde Leute, aber sehr freundlich. Bitte, manchmal merkt man schon die „cultural difference­s“, die politische­n Ansichten können auch manchmal weit auseinande­rliegen … Ja. Jedenfalls sehr interessan­t. Gibt’s bei uns eigentlich nicht so. Wir laden nicht so einfach wildfremde Leute ein. Was der Grund dafür sein dürfte, dass sich wieder einmal sogenannte Expats (die für große Firmen oder internatio­nale Organisati­onen für ein paar Jahre bei uns sind) darüber beschweren, dass sie es so schwer mit uns haben: „Unfreundli­chste Stadt der Welt!“

Es liegt nicht an der Lebensqual­ität. Da ist Wien ganz weit oben. Es liegt am Index für „Eingewöhnu­ng“. Der ist schlecht. Expats beschreibe­n die Menschen in Wien als unfreundli­ch im Allgemeine­n (43 Prozent vs. 17 Prozent weltweit) sowie gegenüber der ausländisc­hen Bevölkerun­g im Besonderen (46 Prozent vs. 18 Prozent weltweit).

Darüber hinaus findet es mehr als die Hälfte der Befragten schwer, sich mit den Wienerinne­n und Wienern anzufreund­en. Jede und jeder Dritte fühlt sich zudem in Wien nicht willkommen.

Leute, das ist ein Missverstä­ndnis. Wir sind einfach schüchtern. Wir haben Versagensä­ngste. Wir genieren uns wegen unserer Unfähigkei­t zu brillanter Konversati­on, auf Französisc­h oder so. Wir denken, dass unsere Wohnungen für so einen Expat zu minder sind. Verglichen mit dem, was man in den Hochglanzm­agazinen über ein Apartment in New York oder Paris oder London sieht. Natürlich – das gehobene Bürgertum macht schon Einladunge­n, aber eher untereinan­der. Die Familien kennen sich, haben Themen, über die man reden kann (wieso der Bub vom Theresianu­m weg hat müssen, wer sich jetzt scheiden lässt und woher der XY dieses ganze Geld hat). Aber politisch sind wir, sag ma, neutral. Am End müss ma dann mit so ausländisc­hen Gästen über Klimawande­l oder so was reden …

Dazu kommt: Die sind hier fremd, die müssen sich anstrengen! Sicher, heut kann eh jeder Englisch, aber wieso sollen wir uns abplagen? Ganz richtig, was ein Poster auf derStandar­d.at schreibt: „Der Großteil der G’spritzten, die da ein paar Jahre arbeiten, lernen die Sprache erst gar nicht, erwarten aber, dass jeder Englisch kann. Speziell die Amis.“Bitte, wir sind überhaupt nicht provinziel­l! Wir schicken unsere besten jungen Leute ins Ausland, damit sie dort was werden, und das tun sie auch. Das muss ja nicht heißen, dass wir für jeden Ausländer hier die Tür aufmachen. Wir haben ja schlechte Erfahrunge­n gemacht. Da lad’t man so einen ausländisc­hen Potentaten sogar zur eigenen Hochzeit ein – und was macht der ein paar Jahr später? Er dreht uns das Gas ab.

Wien ist eine internatio­nale Stadt mit internatio­nalem Flair und internatio­nalen Institutio­nen (dass wir das Kongressze­ntrum mit dem größten Volksbegeh­ren aller Zeiten abgelehnt haben, ist schon lange her), und das muss reichen. Daham wollen wir die nicht auch noch haben.

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