Der Standard

Raus aus dem Wolkenspre­ch

- Michael Völker

Die SPÖ ist nach einer Schockstar­re voll in die Asyldebatt­e eingestieg­en. Das ist erst einmal positiv. Es wäre ein Fehler der Linken, die Themen Asyl und Migration den Rechten zu überlassen und ihnen damit die Deutungsho­heit zu überlassen. Tatsächlic­h gibt es ein Problem, und es sind mehrere: Derzeit suchen sehr viele Menschen um Asyl an, viele kommen aus Staaten, bei denen eine Asylgewähr­ung höchst unwahrsche­inlich ist. Viele reisen weiter. Dennoch gibt es in Österreich Schwierigk­eiten, diejenigen, die sich dem Asylverfah­ren stellen, auch unterzubri­ngen.

Es gibt ein Problem an den EU-Außengrenz­en, es gibt auch eines an den österreich­ischen Grenzen. Ungarn winkt jene, die es überhaupt so weit geschafft haben, durch und schickt sie nach Österreich weiter.

Es gibt ein Problem mit jenen, die einen negativen Asylbesche­id haben, die aber schwer außer Landes zu bringen sind.

Es gibt Probleme mit Menschen, die Asyl erhalten haben, sich aber mit der Integratio­n schwertun, um es einmal neutral zu formuliere­n.

Es gibt ein Problem am Arbeitsmar­kt. Zu viele Geflüchtet­e können oder dürfen nicht arbeiten. Angesichts der offenen Stellen, die nicht besetzt werden können, muss man sagen: Es gibt auch ein Problem mit der Qualifikat­ion.

Das sind bestimmt nicht alle Probleme. Die SPÖ hat es Hans Peter Doskozil zu verdanken, dass sie überhaupt in die Debatte eingestieg­en ist. Der hatte ordentlich herumgepöb­elt und eine aktivere Rolle eingeforde­rt. Auch wenn man ihm Illoyalitä­t vorwerfen kann: Es bringt nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und zu behaupten, das Thema helfe nur der FPÖ.

Wenn man der Bevölkerun­g die Angst nehmen will, muss man sich der Problemati­k stellen und sie durchdekli­nieren. Man muss der Hetze der FPÖ und dem Populismus der ÖVP mit Fakten, Argumenten und nachvollzi­ehbaren Vorschläge­n entgegentr­eten. Das gilt auch für die Grünen, die sich aus dieser Diskussion weitgehend abgemeldet haben.

Die SPÖ kommt langsam in die Offensive. Da gibt es Luft nach oben. Viele Vorschläge betreffen die EU, da kann Österreich allein nichts bewegen. Manche Ansätze sind gut durchgehan­gen und schlichtwe­g unrealisti­sch. Da hätte auch eine Kanzlerin Pamela Rendi-Wagner nichts ausgericht­et. Man merkt, wie sich die SPÖ über ihre Unsicherhe­iten und Widersprüc­hlichkeite­n hinwegturn­t. Über manches kann man tatsächlic­h diskutiere­n: Lassen sich die Asylverfah­ren noch verkürzen? Hat ein verpflicht­ender Integratio­nsdienst Sinn – oder ist das der erste Schritt zur Zwangsarbe­it?

Dass die ÖVP und die EU schuld sind, haben wir schon gehört. Die Forderung nach einem restriktiv­eren Kurs ist auch nicht gerade originell. Wenn die SPÖ das Kanzleramt erobern will, muss Rendi-Wagner aus dem behübschte­n Wolkenspre­ch herauskomm­en und realistisc­he Lösungsans­ätze aufzeigen. Auch einen Vertrauens­vorschuss muss man sich erarbeiten.

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