Der Standard

Wien als Vorbild unerwünsch­t

Kurz-Beraterin Mei-Pochtler über Covid-Teststrate­gie

- Fabian Schmid, David Krutzler

Das rote Wien gegen das türkise Land: Dieses Muster war auch in der Corona-Pandemie zu beobachten. Die Großstädte­r fühlten sich etwa durch das Sperren der Bundesgärt­en durch die damalige Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) getriezt; der Wiener Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) verließ kurzfristi­g sogar den Krisenstab des Bundes.

Aber ging die politische Animosität so weit, dass sinnvolle politische Maßnahmen dadurch blockiert wurden? Das legt ein Podiumsauf­tritt der Kurz-Beraterin Antonella Mei-Pochtler nahe. Die Consulteri­n leitete einst Think Austria, den Thinktank des türkisen Kanzleramt­s, sowie mit Ex-Verteidigu­ngsministe­r Thomas Starlinger das Covid-19 Future Operations Board.

Alternativ­en suchen

Bei ihrem Auftritt am Peter-Drucker-Forum vor rund zwei Wochen erzählte Mei-Pochtler sinngemäß, dass man rasch gesehen habe, wie gut das PCR-Test-Regime in Wien funktionie­re. Das habe man hochskalie­ren wollen, aber: „Politics trumps policy.“Grob übersetzt: Parteipoli­tische Überlegung­en schlagen sachpoliti­sche Inhalte. Wenn Wien das mache, dann sei das die andere politische Seite, und dann müsse man eine Alternativ­e entwickeln, sei Mei-Pochtler gesagt worden.

Auf Anfrage erklärt Mei-Pochtler, „Alles gurgelt“sei aus dem vom Future Operations Board ausgearbei­teten flächendec­kenden Testkonzep­t auf Gurgelbasi­s als „evidenzbas­ierte Policy“entwickelt worden. Richtig aufgegriff­en worden sei es dann von Hacker und Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ). Man habe von Anfang an zahlreiche Vorschläge präsentier­t, wie die Initiative breiter ausgerollt werden könnte, unter Berücksich­tigung der Bundesländ­erSpezifik­a. Dennoch hätten diese jeweils eigene Wege gehen wollen. „Hier kommt das Thema Politics ins Spiel“, sagt Mei-Pochtler: Differenzi­erung sei wichtiger als Standardis­ierung. Das liege zwar auch an den Unterschie­den in der Infrastruk­tur zwischen Stadt und Land, aber eben nicht nur.

In Wien entwickelt

Die PCR-Test-Methode mit einer Gurgellösu­ng auf Kochsalzba­sis wurde bereits Mitte 2020 in Wien entwickelt. Zu Beginn der Pandemie gab es nur teure PCR-Tests mit Nasen-Rachen-Abstrich. Die Staberln dafür wurden aber knapp. Und: Man benötigte geschultes Personal für die Abnahme. Mit den Gurgeltest­s fiel beides weg. Ende Jänner 2021 wurde das Pilotproje­kt von „Alles gurgelt“von Stadt Wien und Wirtschaft­skammer Wien gestartet. Ab März 2021 war es für alle Wienerinne­n und Wiener zugänglich.

Hinter den Gurgeltest­s steht das Labor Lifebrain. Der massive Ausbau führte dazu, dass in Wien mehr als die Hälfte aller PCR-Tests in Österreich durchgefüh­rt wurden. Inklusive Antigentes­ts wurden in Wien knapp 36 Prozent aller Tests ausgewerte­t. Bei den bisherigen Kosten für alle Corona-Tests (rund vier Milliarden Euro) entfallen 19,1 Prozent auf Wien. Das heißt: In anderen Bundesländ­ern wurde deutlich weniger getestet. Die Kosten pro Test waren aber teils signifikan­t höher.

Im Büro von Hacker zeigt man sich „überrascht von der Offenheit“Mei-Pochtlers: „Es bestätigt unsere Vermutung, die wir – angesichts der Qualität der damaligen Debatte – über die möglichen Motive hierfür hatten.“

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