Der Standard

Die Dänen im Tal der Tränen

Dänemarks Verband will nach dem kläglichen Scheitern den Vertrag mit Teamchef Kasper Hjulmand sogar verlängern

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Al Wakrah – Den stärksten Moment hatten die Dänen, als alles vorbei war. Trainer Kasper Hjulmand trat ehrlich und geradehera­us vor die Öffentlich­keit und nahm die komplette Schuld für eine der größten Überraschu­ngen des bisherigen Turniers auf sich: Geheimfavo­rit Dänemark schied in Katar nach der Vorrunde aus. „Ich bin sehr traurig, frustriert und enttäuscht. Das ist zu 100 Prozent meine Verantwort­ung“, sagte der 50-Jährige nach dem 0:1 gegen Australien.

Die Niederlage gegen einen der größten Außenseite­r war das eine. Dass die Dänen dabei im Al-JanoubStad­ion von Al Wakrah noch schlechter klickten als bei ihrem torlosen Auftakt gegen Tunesien, verblüffte dann doch. Das große Rätsel war der massive Leistungsa­bfall in Katar. Nach dem Erreichen des EMHalbfina­les 2021, einer WM-Quali im Eiltempo und zwei Siegen gegen Weltmeiste­r Frankreich in der Nations League beendete Hjulmands Team eine der schwächste­n Gruppen als siegloser Tabellenle­tzter.

„Uns fehlte das Tempo, uns fehlte die Qualität, uns fehlte die Frische im Kopf und das Aufeinande­r-Achten“, sagte der Coach. „Um ehrlich zu sein: Wenn wir die Gruppe sehen, die wir bekommen haben, und die Qualität, die wir schon nachgewies­en haben: Das hätten wir wirklich schaffen können.“

Die Frage nach dem Warum konnte oder wollte Hjulmand nicht beantworte­n, zumindest nicht kurz nach dem Spiel. „Die Emotionen sind zu groß, und die Frustratio­n ist zu groß, um jetzt einen klaren Kopf zu haben“, sagte er. Am Tag nach dem Ausscheide­n ließ er seine Zukunft ebenfalls offen. „Dies ist noch nicht die Zeit für Schlussfol­gerungen“, sagte der frühere Trainer von Mainz 05 auf die Frage, ob er ein Weitermach­en oder einen Rücktritt ausschließ­en würde. „Ich habe noch keine Entscheidu­ng getroffen.“

Großer Beitrag

Für den Verband hingegen stellt sich die Trainerfra­ge nicht. „Es war eine unserer besten Entscheidu­ngen für lange, lange Zeit, ihn zum Teamtraine­r zu ernennen“, sagte Sportdirek­tor Peter Möller. Ziel ist es, den bis nach der EM 2024 laufenden Vertrag mit dem 50-Jährigen sogar zu verlängern. „Ja, das stimmt“, bestätigte Möller. „Wir freuen uns sehr, dass wir Kasper haben. Wir glauben, dass er viel dazu beitragen kann, das Team weiter voranzubri­ngen.“

Der frühere Nationalst­ürmer wolle Hjulmand „niemals allein lassen“mit der Verantwort­ung für das frühe WM-Aus. „Die trage ich als Sportdirek­tor auch. Es ist auch meine Schuld, dass wir bei dieser Endrunde nicht gut genug abgeschnit­ten haben.“Hjulmand freute sich über die Rückendeck­ung und bezeichnet­e sie als „nicht selbstvers­tändlich“. Mit der erfolgreic­hen EM und vor allem auch seinem viel beachteten Umgang mit dem Zusammenbr­uch von Christian Eriksen hatte er sich in der Vergangenh­eit viel Vertrauen erarbeitet.

Dieses Vertrauen kann offenbar nicht einmal ein Auftritt wie gegen Australien erschütter­n. Die Dänen hatten in der elften Minute eine Chance durch Mathias Jensen – und wurden danach von Minute zu Minute schlechter. Kaum Dynamik, eine wenig selbstbewu­sste Körperspra­che und fehlende Überzeugun­g in die eigene Qualität waren die großen Probleme und passten so gar nicht zu der Erzählung von einem eingeschwo­renen, harmonisch­en Team aus geborenen Kapitänen. „Das war einfach nicht gut genug. Es ist ein Fiasko“, sagte Abwehrspie­ler Joachim Andersen. Und genau dieser Eindruck wird nun ein paar Monate nachwirken.

„Als Trainer eines Vereins hast du drei Tage später das nächste Spiel“, sagte Hjulmand. „Aber Teamchef zu sein bedeutet: zwei Wochen Vorbereitu­ng für drei Spiele, und dann muss man vier Jahre bis zur nächsten WM warten.“(APA, red)

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