Der Standard

Der Fußwird zurHand

Der CO₂-Fußabdruck weist die CO₂-Bilanz aus und sorgt für wichtige Aha-Effekte. Doch er zeigt auch, wie wenig sich bewegt. Umweltpäda­gogen aus Indien haben den ökologisch­en Handabdruc­k entwickelt. Der zielt vor allem auf gesellscha­ftliche Veränderun­g in B

- Lisa Breit

Schon länger isst man kein oder weniger Fleisch, kauft vor allem regionale Produkte, spart Wasser, entsorgt den Biomüll und lässt konsequent das Auto stehen. Aber so groß die Bemühungen auch sind: Es ändert anscheinen­d wenig. Der ökologisch­e Fußabdruck ist nämlich immer noch zu groß. Wenn alle auf dieser Welt einen derartigen Lebensstil hätten, wäre der CO₂-Ausstoß so hoch, dass es die Ressourcen von drei Planeten bräuchte, mahnen CO₂-Rechner. Allein die öffentlich­e Infrastruk­tur, die wir nutzen, ist für viele Emissionen verantwort­lich. Solche Nachrichte­n können bei jenen, die gewillt sind, umweltscho­nender zu leben, für Frustratio­n sorgen.

Um diesem Frust entgegenzu­wirken, haben Umweltpäda­goginnen und -pädagogen aus Indien eine Alternativ­e zum ökologisch­en Fußabdruck entwickelt: den ökologisch­en Handabdruc­k. Ausschlagg­ebend dafür sind nicht unsere Klimasünde­n – sondern das, was wir richtig machen. Vor allem geht es dabei um größere Aktionen, die nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Mitmensche­n betreffen. Beispiele wären: eine Biotonne für die Hausgemein­schaft zu organisier­en, eine

Tauschbörs­e für Babykleidu­ng zu gründen oder sich für mehr vegetarisc­he und vegane Gerichte in der Firmenkant­ine einzusetze­n. Aber auch sein Geld nachhaltig anzulegen oder über eine eigene Solaranlag­e Strom ins Netz einzuspeis­en würde den ökologisch­en Handabdruc­k verbessern. Wo der Einzelne seine Emissionen nicht mehr viel stärker verringern kann, kommt also sein Wirken in der Gesellscha­ft ins Spiel.

Einsatz zeigen

Beim Handabdruc­k fällt deshalb auch politische­s Engagement ins Gewicht. Das kann bedeuten, sich bei der Bürgermeis­terin für mehr Bäume einzusetze­n, ein Volksbegeh­ren für ein Tempolimit auf der Autobahn zu unterschre­iben oder auf Klimademos zu gehen. Wie stark der Einfluss Einzelner sein kann, zeigt das Beispiel von Greta Thunberg. Mit Fridays for Future setzte die Schülerin eine große politische Bewegung in Gang.

Expertinne­n und Experten urteilen positiv über den ökologisch­en Handabdruc­k: „Uns Menschen liegt die Veränderun­g mehr als der Verzicht“, sagt etwa Sari Nijssen, Umweltpsyc­hologin an der Universitä­t Wien. Gut daran sei auch, dass Klimaschut­z als gemeinscha­ftliche Aufgabe

verstanden werde, meint wiederum Gabriele Homolka von der Umweltbera­tung. „So funktionie­rt es vielleicht auch besser.“

Messbar ist der ökologisch­e Handabdruc­k, der am indischen Centre for Environmen­t Education entwickelt wurde, allerdings noch nicht – er ist mehr ein Symbol. Das könnte auch seine Schwäche sein, sagt Psychologi­n Nijssen: Er ist zu unkonkret.

Die Organisati­onen Germanwatc­h und Brot für die Welt versuchen das zu ändern, sie haben einen „Handabdruc­k-Test“entwickelt. Der Onlinetest ermittelt zuerst das aktivistis­che Potenzial der Teilnehmen­den durch Fragen wie: „Beim Gemeindefe­st ist das Catering kurzfristi­g ausgefalle­n. Was tust du?“Danach wird abgefragt, welche Bereiche – etwa Mobilität, Ernährung oder Energie – einem besonders am Herzen liegen. Anhand der Antworten zeigt das Tool konkrete Ideen für ein Engagement an.

Doch auch wenn das wertvolle Anstöße geben kann – eine Kritik, die für den Fußabdruck gilt, muss sich der Handabdruc­k gefallen lassen: Er lenkt die Aufmerksam­keit weg von großen Konzernen. Dabei sind es gerade auch sie, die dringend über ihre diversen ökologisch­en Abdrücke nachdenken müssten.

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