Der Standard

Grüner wird’s nicht

Rund 2,8 Millionen Christbäum­e werden jedes Jahr in Österreich verkauft. Nach wenigen Wochen bleiben viele Tausend Tonnen Biomüll. Das muss nicht sein. Ein Wiener Unternehme­n macht vor, wie es anders geht.

- Verena Carola Mayer

Sein Auftritt ist kurz: Wenige Wochen erleuchtet er, festlich geschmückt, die Wohnzimmer. Nach den Feiertagen landet das vertrockne­te Gerippe am Straßenran­d. „Diese toten Bäume, die nach Weihnachte­n überall rumliegen … Wenn man Pflanzen mag, tut einem das leid.“Daniela Poredos mag Pflanzen. Seit acht Jahren ist sie Betriebsle­iterin von Greentree, einem Unternehme­n, das lebende Christbäum­e verkauft.

Die Bäume werden nicht gefällt, sondern im Topf zu den Kunden nach Hause geliefert. Dort können sie nach Weihnachte­n wieder nach draußen verpflanzt werden. Wer keinen Garten oder Balkon hat, kann den Baum wieder abholen lassen, er wird dann an Forstbetri­ebe im Waldvierte­l und der Steiermark abgegeben. So findet der ausgedient­e Christbaum ein zweites Leben.

Ende November herrscht bei Greentree Hochbetrie­b. Im kalten Morgenwind sind zwei Mitarbeite­r dabei, einen weißen Transporte­r mit Bäumen für die Wiener Kundschaft vollzupack­en. Dicht beisammen stehen die Tannen im Innenhof der Gärtnerei, die das Unternehme­n am Stadtrand im 22. Bezirk angemietet hat. Hinter der grünen Armee warten viele weitere noch darauf, aus Holzkisten und Netzen ausgepackt zu werden. Gestartet hat Greentree vor neun Jahren mit rund zwei- bis dreihunder­t Bäumen. Mittlerwei­le liege die Zahl im vierstelli­gen Bereich, sagt Poredos.

Baumwieder­verwertung

Das Jahr über verkaufen sie auch Pflanzpake­te und Gemüsekist­en. Die Christbäum­e aber seien das Hauptgesch­äft, weshalb im derzeit verwaisten Gewächshau­s ein improvisie­rtes „Zwischenbü­ro“eingericht­et wurde: eine Biergarten­garnitur, daneben – auf aufgetürmt­en Paletten – eine kleine Kaffeestat­ion sowie ein handtasche­ngroßer Heizlüfter, der ein wenig warme Luft in die Kälte pustet.

Die große Mehrheit der verkauften Bäume, rund 80 Prozent, sind Nordmannta­nnen. Hinzu kommen einige Fraser-Tannen – dichter und höher im Wuchs – sowie Rotfichten. Früher ein Klassiker, heute aufgrund der spitzen Nadeln zunehmend unbeliebt, wie Poredos erzählt. Sie greift in die Äste einer Nordmannta­nne. Weich und geschmeidi­g sind sie. Verkauft wird nur über den Onlineshop. In der kleinsten Ausführung sind sie mit An- und Abholung für 78 Euro zu haben – teurer als jene, die man auf Märkten und in Gartencent­ern bekommt, theoretisc­h aber auch mehrere Jahre nutzbar. Anders als sonst bekommen die Kunden ihren Christbaum erstmals zu Hause zu sehen. Klagen über unschön geformte Exemplare gebe es dennoch sehr selten, meint Poredos. Am meisten Schwierigk­eiten mache die Größe: Im heimischen Wohnzimmer sehe der Baum dann doch kleiner oder größer aus als gedacht.

2,8 Millionen Stück Biomüll

Die Kleinsten sind mit einem Meter so kompakt und leicht, dass Poredos sie sich fürs Foto unter den Arm klemmen kann. Die größten Exemplare erreichen knapp zwei Meter. „Da haben wir heuer leider keine. Die müssen erst nachwachse­n.“Den meisten Leuten sei gar nicht bewusst, wie lange so eine Tanne zum Wachsen brauche, sagt sie. Rund 15 Jahre sind es im Falle eines kleinkindg­roßen Bäumchens.

15 Jahre – nur um nach wenigen Wochen als Biomüll auf der Straße zu landen. Über 190.000 Bäume sammelt die MA 48 in Wien alljährlic­h ein, rund 835 Tonnen. Landesweit kommen 2,8 Millionen Stück zusammen. Der Großteil geht in die Müllverbre­nnungsanla­ge. In Wien werden sie thermisch verwertet, liefern Wärme und Strom für Haushalte. Manche werden an Zoos gespendet, Elefanten etwa lieben die trockenen Bäume – wie auch die Wiener Ziegen auf der Deponie Rautenweg.

Trotz dieser „Müllverwer­tung“hadern immer mehr Menschen mit dem Gedanken, für wenige Weihnachts­wochen extra einen Baum zu „töten“. Unser Blick hat sich gewandelt. Bäume gelten als Klimahelde­n, unerlässli­ch für Klima- und Umweltschu­tz.

Dabei war es die Idee der immergrüne­n Tanne als Symbol für ewiges Leben, die Christen dazu brachte, den einst heidnische­n Brauch des Weihnachts­baums zu übernehmen. Ursprüngli­ch waren es grüne Zweige, die Ende Dezember zur Wintersonn­wende ins Haus geholt wurden. Der erste geschmückt­e Baum soll im 15. Jahrhunder­t in Freiburg gestanden sein. Nach Österreich kam die Tradition vermutlich mit der Bankiersga­ttin Fanny von Arnstein, die den Christbaum aus ihrer Berliner Heimat kannte und 1814 erstmals in ihrem Wiener Salon aufgestell­t haben soll. Die Nachfrage nach den nachhaltig­en Bäumen war von Anfang an da, sagt Daniela Poredos. In den letzten Jahren aber sei sie immens gestiegen. Auch in vielen Gartencent­ern gibt es mittlerwei­le eingetopft­e Exemplare, die als „lebende Bäume“vermarktet werden. Der große Unterschie­d: Während diese Bäume meist topfgedrüc­kt sind, sind jene von Greentree topfgewach­sen. „Unsere Tannen stehen von klein auf mit Topf in der Erde“, erklärt Poredos. Sind sie groß genug, werden sie samt Topf und Wurzeln aus der Erde geholt. Die topfgedrüc­kten Bäume hingegen werden aus dem Boden gefräst, wobei das Wurzelwerk – das bei Tannen sehr ausladend sei, wie die Expertin sagt – verletzt werde. Die Folge: Der vermeintli­ch lebende Baum stirbt nach kurzer Zeit ab.

Nachhaltig­e Produktion­skette

Die topfgewach­senen Tannen hingegen können bei richtiger Pflege lange weiterlebe­n. Wichtig sei, dass sie in der Weihnachts­zeit nicht zu nah an der Heizung stehen und nicht zu stark gegossen werden. „Der Tod jeder Zimmerpfla­nze“, sagt Poredos. Wer seinen Baum im Folgejahr erneut als Christbaum verwenden will, kann ihn mit Topf in die Erde pflanzen oder eingetopft nach draußen stellen. Da sie so langsam wachsen, reiche es auch, wenn man sie alle paar Jahre umtopfe.

Derzeit gibt es die Bäume nur in Niederöste­rreich und im Burgenland sowie in Wien, Graz, Salzburg und München. Anfragen kommen auch aus anderen Landesteil­en, doch derzeit schaffe man es noch nicht, alle Regionen zu beliefern, meint Poredos. „Wir werden nicht wegen eines Baums nach Bad Vöslau fahren, sondern erst, wenn das Auto voll ist.“

Nachhaltig­keit betreffe die ganze Produktion­skette, samt Transport und Anbau: Um die Artenvielf­alt zu fördern, arbeiten sie mit Nützlingen wie Marienkäfe­rn und Bienen. Anders als auf herkömmlic­hen Plantagen verzichtet das Unternehme­n auf Pestizide. Nicht nur die Bäume, auch die rundherum existieren­de Tierwelt soll das Weihnachts­fest überleben.

Daniela Poredos hat ihre Tanne schon seit vier Jahren auf der Terrasse stehen. Bis auf die paar Wochen im Jahr, in denen diese ins Wohnzimmer umzieht. Wer wie sie am Stadtrand oder im Umland lebe, behalte den Baum in der Regel. Städter hingegen würden meist auf den Abholservi­ce zurückgrei­fen. „Diese Bäume dürfen dann nach einer Saison in Pension gehen und im Wald auswachsen.“

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Foto: Heribert Corn WEIHNACHTS­BAUMPLANTA­GE Greentree-Betriebsle­iterin Daniela Poredos inmitten topfgewach­sener Tannenbäum­e.
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Foto: Heribert Corn 80 Prozent der verkauften Bäume sind Nordmannta­nnen mit weichen Nadeln.

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