Der Standard

„Es geht wieder ein Ruck durch die Partei“

KPÖ-Bundesspre­cher Tobias Schweiger bereitet sich nach Mithilfe im Salzburger Wahlkampf nun mit der Partei auf die Nationalra­tswahl 2024 vor. Mietpreisb­remse und attraktive Öffis für alle seien nötig, gegen Tempo 100 ist er auch nicht.

- Colette M. Schmidt

Nach dem Wahlerfolg der KPÖ plus in Salzburg sehen Umfragen auch den Einzug der Bundes-KPÖ ins Parlament als möglich an. Bundesspre­cher Tobias Schweiger ist Teil einer verjüngten Parteispit­ze, die vor zwei Jahren vom langjährig­en Parteichef Mirko Messner übernahm. Er erzählt, wie man sich nun auf die Nationalra­tswahl 2024 vorbereite­t. STANDARD: Ein geplanter Bombenansc­hlag auf das von der KPÖ veranstalt­ete Volksstimm­efest im Prater 2021 sorgt für Aufregung. Wann haben Sie erstmals davon gehört?

Schweiger: Am selben Tag, als es die Öffentlich­keit erfuhr, weil der Verfassung­sschutzber­icht präsentier­t wurde. Der erste Gedanke war natürlich die Sicherheit der Menschen, die auf unser Fest kommen und uns vertrauen. Wir haben auch mit befreundet­en Organisati­onen wie dem KZ-Verband gesprochen. Dann haben wir schnell Kontakt mit den Behörden aufgenomme­n, um zu klären, warum wir nicht informiert worden sind. Wichtig ist, dass die Menschen informiert werden, die auf den sogenannte­n Feindeslis­ten stehen. Da warten wir im Moment auf eine Antwort. Wir wollen, dass das Volksstimm­efest weiterhin das schönste Fest – auch für Familien – bleibt. Uns ist wichtig zu klären, dass es kein weiteres Bedrohungs­potenzial mehr gibt. STANDARD: Wie hat die Polizei nun

reagiert?

Schweiger: Darauf kann ich im Detail nichts sagen. Es besteht Kontakt zu Innenminis­ter und Behörden, aber Gesprächst­ermine werden gerade vereinbart. STANDARD: Kommen wir nun zu den für Sie guten Nachrichte­n. Was hat die Salzburg-Wahl für die Bundes-KPÖ verändert?

Schweiger: Einerseits nichts, anderersei­ts ganz viel. Ganz viele Menschen melden sich jetzt und wollen aktiv bei uns sein. Bei den anderen Mitglieder­n merkt man: Es geht wieder ein Ruck durch die Partei und Projekte werden mit neuer Motivation verfolgt. Anderersei­ts verfolgen wir wie bisher soziale Projekte, die uns wichtig sind – also im Bereich Wohnen, Teuerung, Gesundheit­skrise. Ich merke bei mir selber, dass das total viel Kraft gibt, wenn man Vertrauen bekommt von so vielen Menschen. Viele sagen: Das ist die Art von Politik, die wir uns seit Jahren gewünscht haben.

STANDARD: Viele rechnen der KPÖ nun Chancen aus, ins Parlament einzuziehe­n. Werden Sie Spitzenkan­didat für die Nationalra­tswahl 2024 sein? Schweiger: Personalen­tscheidung­en diskutiert die Partei und wird das zu gegebener Zeit veröffentl­ichen.

STANDARD: Aber Sie können das nicht ausschließ­en?

Schweiger: Nein. Klar ist, wir treten nach den Wahlerfolg­en in Graz und Salzburg unter dem Namen KPÖ an, arbeiten aber an einer Zusammenar­beit mit unseren lokalen Bündnispar­tnern auch auf nationaler Ebene.

STANDARD: Wie bereiten Sie sich sonst auf 2024 vor?

Schweiger: Der beste Wahlkampf ist das, was wir jeden Tag machen. Wir haben gerade eine Kampagne für leistbares Wohnen gestartet. Wir fordern einen Mietenstop­p bis 2029, als Atempause, damit die nächste Regierung eine Neufassung des Mietrechts auf die Beine stellen kann mit einem weitreiche­nden Mietendeck­el. Also, bis 2029 soll es keine Erhöhungen mehr geben. STANDARD: Sie waren im Wahlkampf in Salzburg aktiv. Das Erfolgsrez­ept?

Schweiger: Wir sind mit dem Ziel des landesweit­en Antritts hineingega­ngen. Aber dann bekamen wir schnell hunderte Unterstütz­ungserklär­ungen auch in den schwierigs­ten Gebieten. Da kam die Frage auf: Gelingt uns tatsächlic­h der Einzug in den Landtag? Sehr viele von Graz bis Innsbruck, von Wien bis Villach haben zusammenge­holfen. Insgesamt waren wir ungefähr 300, die Hälfte nicht aus Salzburg.

STANDARD: Die KPÖ Steiermark, die seit Jahren ein eigenes Parteiprog­ramm hat, fordert den Austritt aus der EU, auch wenn dort betont wird, dass dieser in Ermangelun­g einer Alternativ­e nicht auf der Tagesordnu­ng stehe. Wie sieht das die Bundes-KPÖ? Schweiger: Die Position der Bundespart­ei ist eine massive Umgestaltu­ng und Demokratis­ierung der EU. Denn sie sorgt etwa für massive Hürden, im kommunalen Wohnbau weiterzuge­hen. Aber im Vordergrun­d steht: Wie kriegen wir mehr geförderte­n Wohnbau hin? Ich glaube, dass weder der Austritt eine Perspektiv­e ist, noch die Umgestaltu­ng der EU zu einer Sozialunio­n wirklich durchsetzb­ar ist. Wenn es in der Frage des leistbaren Wohnens mit den EU-Verträgen in konkreten Fällen zu Konflikten kommt, dann wollen wir diese Konflikte führen. STANDARD: Sollte das nicht in der gesamten EU ein Thema werden?

Schweiger: Man braucht nur nach Portugal oder Spanien zu schauen, wo diesbezügl­ich viel in Bewegung kommt. Das sieht man an den Mieten, die dort aktiv gebremst werden.

STANDARD: Was möchten Sie an der EU nicht missen?

Schweiger: Auch wenn die EU ein neoliberal­es Projekt ist, ist die Idee, dass Menschen über Ländergren­zen hinweg zusammenar­beiten, auch für eine kommunisti­sche Partei etwas ganz Wichtiges. Wir möchten ja, dass Menschen sich internatio­nal vernetzen und ihre Probleme internatio­nal gelöst werden. Unser Problem besteht darin, dass die EU vor sich herträgt, ein Friedenspr­ojekt zu sein, aber dieses Verspreche­n an den Außengrenz­en und gegenüber Drittstaat­en laufend bricht. Ähnliches gilt für Demokratie und soziale Gerechtigk­eit.

„Wir fordern einen Mietenstop­p bis 2029, als Atempause, damit die nächste Regierung eine Neufassung des Mietrechts auf die Beine stellen kann.“

STANDARD: Was passiert in der Kampagne, die in der Vorwoche startete?

Schweiger: In einer Petition appelliere­n wir an alle Parlaments­parteien zu erkennen, wie bedrohlich die Situation für viele Menschen geworden ist. Erst kürzlich kam eine ältere Frau zu uns in die Parteizent­rale, die es nicht mehr die Stufen hinaufgesc­hafft hat, und erzählte, wie ihr und ihrem Freund die letzten Erhöhungen den Rest gegeben haben. Sie sind nun von der Delogierun­g bedroht. Wir haben uns mit ihr im Stiegenhau­s hingesetzt, weil sie ja nicht mehr Stiegen steigen kann, und sind mit ihr alle Anlaufstel­len durchgegan­gen und haben Termine ausgemacht. Wir hoffen natürlich, dass es für sie gut ausgeht, aber wir wissen angesichts der aktuellen Situation, dass es ganz oft nicht gut ausgeht. Deswegen sammeln wir in ganz Österreich Unterstütz­ungsunters­chriften, damit das Parlament die Notbremse zieht bei den Mieterhöhu­ngen. STANDARD: Wie oft werden Sie gefragt, warum Sie das K für Kommunismu­s im Namen tragen?

Schweiger: Das hängt davon ab, mit wem ich rede. Medien fragen sehr oft, auf der Straße so gut wie niemand.

STANDARD: Sie sind ein junger Kommunist. Hätten sich Ihre Vorgänger in der KPÖ nicht deutlicher von der Sowjetunio­n abgrenzen müssen?

Schweiger: Natürlich hätte man sich klarer davon abgrenzen müssen. Wie die Aufarbeitu­ng der Parteigesc­hichte gezeigt hat, sind aber auch tausende KPÖ-Mitglieder durch den Stalinismu­s umgekommen, weil sie sich dieser Diktatur nicht unterwerfe­n wollten. Viele wurden auch den Nazis ausgeliefe­rt. Ich glaube, als Kommunist ist es wesentlich, sich für Freiheit und mehr Gerechtigk­eit einzusetze­n. Was wir unter dem Stalinismu­s erlebt haben, geht damit nicht zusammen. Diese Klärung fand in der Partei aber bereits vor Jahrzehnte­n statt.

STANDARD: Sie sind wie Kay-Michael Dankl ursprüngli­ch Grazer und auch von der grünen Jugend zur KPÖ gekommen. Wie halten Sie es mit den Aktionen der Letzten Generation und deren Forderung nach Tempo 100? Schweiger: Mir wäre ein Anliegen, weniger über bestimmte Protestfor­men gegen die Klimakrise zu diskutiere­n und mehr ihre Verursache­r in den Blick zu nehmen. Wer profitiert denn davon, dass unsere Infrastruk­tur immer noch sehr auf fossile Energie ausgelegt ist? Da gehören alle Regierunge­n der letzten Jahrzehnte und die Profiteure der Konzerne in die Kritik. Klimaaktiv­istinnen und Berufstäti­ge gegeneinan­der auszuspiel­en hilft da nicht weiter.

STANDARD: Sind Sie für Tempo 100? Schweiger: Natürlich kann man Tempo 100 umsetzen, aber wichtiger erscheint mir, dass es bei neuen Standorten von Industrieb­etrieben verpflicht­end Schienenan­schlüsse gibt. Man sollte mit Leuten keinen Kulturkamp­f um ihr Auto führen, sondern dafür sorgen, dass öffentlich­er Verkehr für alle Menschen attraktiv wird.

TOBIAS SCHWEIGER (33) ist Sprecher der Bundes-KPÖ. Er wurde in Graz geboren, studierte Politikwis­senschaft und Philosophi­e in Bremen und Wien. Vor der KPÖ war er Bundesspre­cher der Jungen Grünen und der Jungen Linken.

 ?? ?? Tobias Schweiger in der Parteizent­rale in Wien: Hier werden auch Menschen beraten, denen aufgrund gestiegene­r Mieten die Delogierun­g droht. In letzter Zeit werden das immer mehr.
Tobias Schweiger in der Parteizent­rale in Wien: Hier werden auch Menschen beraten, denen aufgrund gestiegene­r Mieten die Delogierun­g droht. In letzter Zeit werden das immer mehr.

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