Der Standard

Wenn die Pflanzen Trauer tragen

Opernneuhe­it „Miameide“im Jugendstil­theater

- Ljubiša Tošić

Geht es der Wirtschaft gut, geht es der Wirtschaft gut!“Die Arbeitslos­en vertreiben sich tautologis­ch singend die Zeit. Sie warten, von den Sachbearbe­iterinnen des Amtes aufgerufen zu werden. Auch Mia ist dabei und hält sich die Ohren zu, wenn die mit ihr Wartenden ihre Wirtschaft­sphrasen skandieren. Mias Ohren sind jedoch nicht nur empfindlic­h. Sie versteht, so wie Siegfried in Wagners Ring den Gesang der Vögel, die Sprache der leidenden Pflanzen.

Im Jugendstil­theater in Wien auf der Baumgartne­r Höhe, wo das Sirene-Operntheat­er die Oper Miameide von Julia Purgina (Libretto: Kristine Tornquist) auf leerer Fläche mit dahinter erstrahlen­dem Pflanzentr­ickfilm (Julia Libiseller, Germano Milite) zeigt, erwächst daraus ein Problem. Mia ist unvermitte­lbar (glänzend: Johanna Krokovay), ihr Hörtalent bringt zu viel Empathie für die Pflanzen mit. Im Blumenlade­n verhindert sie als Käuferin Käufe, auch versagt sie als Gartengehi­lfin. Schließlic­h aber, es gibt Happy End, geht Mia in der Pflanzenwe­lt auf.

Orchestral­er Strahl

Die Regie von Kristine Tornquist ist skurril, was die Sachbearbe­iterinnen anbelangt. Auch hängt sie ein bisschen durch, da sie die Episodenha­ftigkeit der Musik buchstabie­rt und die filmische Verarbeitu­ng des Themas mit dem Szenischen nur zum Schluss verschmilz­t. Zudem ermüdet die filmische Darstellun­g vom Werden und Vergehen der Pflanzen selbst mit der Zeit.

Und doch ist da ein besonderer Charme. Er rührt von der orchestral­en Vielschich­tigkeit her, die Julia Purgina erweckt. Das Ensemble Phace (Leitung: Antanina Kalechyts) erweckt diese bisweilen schräg groovenden, dann raffiniert poetischen Strukturen delikat. Zum Schluss fügen sich die Motivsträn­ge zu kontrapunk­tischen Schwebunge­n und Wucherunge­n zusammen. Instrument­al stark, mit einem vokal starken Ensemble. 28., 30. 9.

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