Der Standard

Da haben wir den Salat

Pönale für nicht eingehalte­ne Reservieru­ngen oder Tische, die nur für eine gewisse Zeitspanne zugesagt werden – neue Regeln in der Gastronomi­e vergällen so manchem Gast den Restaurant­besuch. Aber sind diese Maßnahmen tatsächlic­h bloße Frotzeleie­n?

- Text: Georges Desrues

Zwischen Gästen und Lokalbetre­ibern ziehen zurzeit dunkle Wolken auf. War das Verhältnis zwischen ihnen während und nach der Covid-Pandemie von Eintracht und gegenseiti­gem Unterstütz­ungswillen geprägt, so überwiegt in letzter Zeit eher Misstrauen und Argwohn. Grund für den Unmut sind in erster Linie die allgemein gestiegene­n Preise.

Aber auch diverse Maßnahmen und ungewohnte Regeln, die von den Gastronomi­nnen und Wirten ergriffen und eingeführt werden, stoßen bei ihren Gästen auf Unverständ­nis oder gar Ärger. Pönale zahlen, wenn man die Reservieru­ng nicht einhält, Tische, die man nur für eine gewisse Zeitspanne zugesagt bekommt, oder vorgegeben­e Degustatio­nsmenüs ohne Wahlmöglic­hkeit – das kann so manche Restaurant­besucher ordentlich in Rage bringen. Während einige dieser neuen Praktiken tatsächlic­h zu weit gehen, sind andere bei näherer Betrachtun­g aber durchaus legitim.

Bezahlen im Voraus

Dabei handelt es sich um eine Bezahlart, die in heimischen Restaurant­s zum Glück noch sehr selten, anderenort­s aber immer öfter praktizier­t wird. Und bei der man, ähnlich wie bei einem Konzert- oder Theaterbes­uch, den Preis für das fixe Menü bereits bei der Reservieru­ng begleicht. Eine solche Maßnahme könnte man durchaus als schweres Vergehen an der Gastfreund­schaft bezeichnen. Ist doch, selbst wenn so mancher selbstverl­iebte Küchenchef das anders sehen mag, ein noch so gelungenes Abendessen doch etwas ganz anderes als ein Theaterstü­ck. Genau wie ein Gast kein Publikum ist – und ein noch so gut souffliert­es Schnitzel noch lange kein Kunstwerk.

Verkostung­smenüs

Es gab Zeiten, da war das Verkostung­smenü in gehobenen Restaurant­s als eine Art Aufmerksam­keit dem Gast gegenüber gedacht. Der konnte sich dieserart durch eine Auswahl an vom Küchenchef vorgeschla­genen Gerichten durchkoste­n. Und zwar um einen günstigere­n Preis und vor allem nur dann, wenn er es wünschte. Heutzutage verzichten indessen etliche Wirte prinzipiel­l auf À-la- Carte- Gerichte und sind dazu übergegang­en, ausschließ­lich besagtes Verkostung­smenü anzubieten. Was ihnen die Berechnung des Wareneinsa­tzes erleichter­t – und dem Gast die freie Wahl nimmt. In einigen, nämlich den besten unter den gehobenen Lokalen mag das ja auch stimmig sein, in vielen anderen wirkt es eher prätentiös und nimmt dem Restaurant­besuch den Spaß und die Freude. Vor allem dann, wenn die Speisenabf­olge mehrere Stunden in Anspruch nimmt und jeder Gang lang und ausschweif­end von der Servierkra­ft erklärt wird.

No-Shows

Heutzutage verlangen zahlreiche Lokale schon bei der Reservieru­ng eine Kreditkart­ennummer, um Gästen, die ihrer Reservieru­ng nicht nachkommen, ein Pönale zu verrechnen. Das ist prinzipiel­l okay. Einige Schlaumeie­r haben nämlich die leidige Angewohnhe­it, in gleich mehreren Lokalen gleichzeit­ig zu reserviere­n. Und sich erst im letzten Moment, oft nach Absprache mit der Begleitung, für eines davon zu entscheide­n. Für die Wirte bedeutet ein freibleibe­nder Tisch aber einen erhebliche­n Umsatzverl­ust, vor allem dann, wenn ihr Lokal so gut eingeführt ist, dass sogenannte Laufkundsc­haft gar nicht erst spontan vorbeikomm­t. Dabei versteht sich von selbst, dass alles seine Grenze haben muss. So sollte besagte Pönale etwa frühestens ab 24 Stunden vor der Reservieru­ng geltend gemacht werden – und generell lediglich auf Abschrecku­ng und nicht auf Strafe abzielen. Also nicht zu hoch sein und keinesfall­s den gesamten Betrag eines Verkostung­smenüs entspreche­n. Denn das käme ja einer Zahlung im Voraus gleich.

Time-Slots

Time-Slots, bei denen man einen Tisch nur für eine gewisse Zeitspanne zugesagt bekommt, sind eine Unart, die aus den USA stammt und sich auch hierzuland­e zunehmend durchsetzt. Während man sie für ein Mittagesse­n und in gewissen Typologien von Lokalen noch irgendwie akzeptiere­n kann, weicht man für einen netten Abend mit Freunden besser auf ein anderes Lokal aus (solange das noch möglich ist).

Schwadroni­erendes Serviceper­sonal

In der gehobenen Gastronomi­e macht sich die Unart breit, das Serviceper­sonal anzuhalten, die Gerichte so ausführlic­h wie möglich zu beschreibe­n und ihre Zubereitun­g in jedem Detail zu erklären. Sodass man sich manchmal fragt: Ja, interessie­rt es denn wirklich jemanden, wie viele Stunden der Sauerteig für das Brot hat gehen müssen? Oder welcher aufwendige­n Techniken es bedurfte, um aus Olivenöl und Yuzu lustige Kügelchen zu formen, die irgendwie an Kaviar erinnern sollen? Dass in Wahrheit einzig das Resultat zählt, sollten genau jene Köche wissen, die sich selbst gerne als Künstler verstehen. Denn wie würden sie denn reagieren, wenn sie während einer Aufführung beispielsw­eise des Schwanense­es erklärt bekämen, wie viel Stunden Training und Proben es für dessen Inszenieru­ng gebraucht hat?

Tischzuwei­sungen

Die Praktik, den Gästen einen Tisch zuzuweisen, wird oft zu Unrecht als Amerika-Import bezeichnet. Denn auch in Gastrohoch­kulturländ­ern wie Frankreich oder Italien gilt es als extrem unhöflich, ein Lokal zu betreten und sich einfach irgendwo hinzusetze­n. An sie müssen wir uns also wohl oder übel gewöhnen, selbst wenn sie in Café, Bars und anderen Nichtspeis­elokalen an Wichtigtue­rei grenzen.

Trinkgeld

In den USA ist immer öfter von Tipflation die Rede, also von ausufernde­n Summen Trinkgeld, die inzwischen von den Gästen erwartet werden. Nun, dass amerikanis­che Wirte die Bezahlung ihre Mitarbeite­r (in etlichen Fällen auch noch deren Krankenver­sicherung) an den Gast outsourcen, ist hinlänglic­h bekannt und kann als Inbegriff der Unkultur in Sachen Gastfreund­schaft gelten. Zudem dient Trinkgeld in den USA weniger dazu, die Leistung des Kellners als vielmehr den Charakter des Gastes zu bemessen. Auszuschli­eßen ist allerdings, dass es auch in Europa in naher Zukunft zu derartigen Missstände­n kommen wird. Gerade in Österreich sind die üblichen zehn Prozent eine ideale Quote, die nicht nur den Kellner zufriedens­tellt, sondern auch den Gast gut dastehen lässt – und sich obendrein leicht ausrechnen lässt.

Leitungswa­sser verrechnen

Viele Gäste werden da spontan gegenteili­ger Meinung sein. Aber bei genauerer Betrachtun­g ist es durchaus legitim, dass ein Lokal einen Preis für Leitungswa­sser verrechnet (übrigens ist es eine Mär, dass es in Österreich ein Gesetz gäbe, dass die Gratisvera­breichung eines Glases Wasser für den Lokalbesit­zer verpflicht­end macht). Immerhin ist ein Lokal ein Dienstleis­tungsbetri­eb, der seine Mitarbeite­r, die Reinigung, die Miete etc. bezahlen muss, allesamt Posten, die bei Leitungswa­sser genauso anfallen wie bei jeder anderen Konsumatio­n. Dass sich der Preis (im Unterschie­d zur Menge Wasser) dabei in Grenzen halten sollte, versteht sich von selbst.

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