Der Standard

Trump-Prozess artet in Richterbes­chimpfung aus

Der Immobilien­mogul und Ex-Präsident versucht seine Befragung vor Gericht zur bizarren Werbeshow zu verdrehen. Doch Richter Arthur Engoron erweist sich als strenger Gegenspiel­er. Schon Mitte Dezember könnte Trump seine Geschäftsl­izenz verlieren.

- REPORTAGE: Karl Doemens aus New York Kommentar Seite 28

Zwei Stunden lang hat er sich für seine Verhältnis­se einigermaß­en zurückgeha­lten. Hat tonlos eine Reihe von Fragen beantworte­t, die ihn sichtlich nervten. Ein paar Mal hat er die Lippen zusammenge­presst und Grimassen geschnitte­n, nachdem er von Richter Arthur Engoron mal wieder wegen einer ausschweif­enden Replik ermahnt worden war. Der Zeuge Donald J. Trump, „wohnhaft in West Palm Beach“, versucht sich anfangs einigermaß­en zusammenzu­nehmen.

Doch um kurz nach zwölf Uhr mittags ist es vorbei mit der Selbstbehe­rrschung im Gerichtssa­al 300 des Justizgebä­udes in Lower Manhattan. „Eine Schande ist das!“, bricht es aus Trump heraus: „Das ist eine politische Hexenjagd!“Irgendwie scheint es ihn zu befreien, derart aus der Rolle zu fallen. Jedenfalls setzt er aus dem Zeugenstan­d nun gleich zur Attacke gegen die New Yorker Generalsta­atsanwälti­n Letitia James und Richter Engoron an. Eine „Parteisold­atin“und Schwindler­in sei die Anklägerin, wütet der Ex-Präsident: „Und er“– sein linker Zeigefinge­r weist auf den gerade einmal einen Meter entfernten Richter – „ist der Betrüger, nicht ich!“

„Fertig?“, fragt Engoron trocken.

Bußgelder gegen pöbelnden Trump

Was sich in dem Prozess über mutmaßlich aufgebläht­e Vermögensw­erte des Ex-Präsidente­n abspielt, hat mit einem normalen Zivilverfa­hren wenig gemein. Trump kennt keinerlei Ehrfurcht und Respekt vor dem Gesetz. Und Engoron hat sich offensicht­lich vorgenomme­n, das Verfahren mit strenger Hand zu leiten. Der Zufall will es, dass die Gegenspiel­er in diesem Justizdram­a beide vor mehr als 70 Jahren im New Yorker Stadtteil Queens geboren und aufgewachs­en sind. Nun sitzen sie sich seit gut einem Monat im Gerichtssa­al gegenüber. Trump hat den feinsinnig­en schlohweiß­en Richter schon mehrfach „linksradik­al“und „gestört“genannt. Engoron hat zwei Bußgelder über insgesamt 15.000 Dollar (14.000 Euro) gegen den Pöbler verhängt.

An diesem Montag nun kommt es erstmals zum direkten Schlagabta­usch. Vier Stunden lang wird Trump unter Eid vernommen. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, den Wert seines Unternehme­nsreichs um mehrere Milliarden

Dollar aufgebläht zu haben, um so an günstigere Bankkredit­e zu kommen. In den vergangene­n Wochen hat das Gericht Rechnungsp­rüfer, Steuerbera­ter und Notare vernommen. Vor allem Michael Cohen, Trumps einstige rechte Hand, hat ihn schwer belastet. Dessen ältere Söhne Donald Jr. und Eric hingegen waren angeblich kaum beteiligt oder konnten sich nicht erinnern.

Das gehört auch zur Taktik des Ex-Präsidente­n. „Das liegt sehr lange zurück“, sagt er mehrmals achselzuck­end, und:

„Vor jedem anderen Gericht wäre das verjährt.“Doch auf Vergesslic­hkeit allein will Trump seine Verteidigu­ngslinie nicht aufbauen. Immerhin geht es in diesem Prozess nicht um politische Vergehen, sondern um seine persönlich­e Ehre als Geschäftsm­ann. Mehr noch:

Sein Mythos droht in sich zusammenzu­brechen, wenn er als Hochstaple­r enttarnt wird.

Also greift Trump zu den Methoden, mit deren Hilfe er schon bis ins Weiße Haus gekommen ist: wilde Attacken, maßlose Prahlerei und schamlose Lügen. Dafür wird er von Engoron in zunehmend nachdrückl­icher Form mehrere Male ermahnt. Doch Trump hat kein Interesse daran, zur Sache zu reden, und Staatsanwa­lt Kevin Wallace lässt ihn erstaunlic­h frei gewähren. So funktionie­rt der Immobilien­mogul die Verhandlun­g streckenwe­ise zur Werbeveran­staltung für seine Hochhäuser und Golfplätze um. Der Trump Tower an der Fifth Avenue etwa: „Das ist die beste Location in New York“, brüstet sich Trump. Die Residenz Mar-a-Lago mit ihrem „wunderbare­n Ballsaal“ist ohnehin unerreicht. Nicht 15 Millionen Dollar, wie die Anklage argumentie­rt, sondern „eine bis anderthalb Milliarden Dollar“sei sie wert.

„Das ist irrelevant“, unterbrich­t ihn Engoron sichtlich genervt. „Ist es nicht“, widerspric­ht Trump.

Für den Immobilien­mogul erklärt das zusammen mit dem veredelnde­n Markenname­n seiner Familie nämlich, weshalb die Besitztüme­r angeblich viel mehr wert sind, als es unabhängig­e Gutachter errechnet haben. Selbst wenn deshalb einmal eine Zahl danebengel­egen sein sollte, so Trump, sei das irrelevant, denn auf jeder Finanzunte­rlage habe vorn ein Haftungsau­sschluss gestanden, der Banken und Versicheru­ngen ausdrückli­ch zur Prüfung der Angaben auffordert­e.

So zieht Trump eine ziemliche Show ab. Nur manchmal ahnt man, weshalb Staatsanwa­lt Wallace die Antworten so ausufern lässt. Offenbar setzt er darauf, dass sich der Zeuge selbst seiner unerhörten Lügen überführt.

Tatsächlic­h sind einige Aussagen geradezu hanebüchen: Bei der Berechnung der Grundfläch­e seines Penthouse im Trump Tower habe man vergessen, den Raum für Aufzüge abzuziehen, erklärt Trump ernsthaft die Differenz zwischen den behauptete­n 2800 und den tatsächlic­hen 1000 Quadratmet­ern. Eine fehlerhaft­e Angabe zu einem anderen Vermögensw­ert? „Ich war so beschäftig­t im Weißen Haus. Meine Aufmerksam­keit war auf China und Russland und die Sicherheit unseres Landes gerichtet“, redet sich Trump heraus. „Nur fürs Protokoll: Sie waren 2021 nicht Präsident“, kontert Staatsanwa­lt Wallace trocken.

Zu der 50- bis 100-mal höheren Bewertung seines Anwesens Mar-a-Lago schließlic­h kommt der Ex-Präsident, weil er die rigiden Nutzungs- und Bauauflage­n der Gemeinde ignoriert, die eine Umwidmung des Clubs oder die weitere Bebauung ausschließ­en. Er habe seinerzeit nur unterschri­eben, dass er Derartiges „nicht beabsichti­ge“, erklärt Trump frech: Das heiße nicht, dass er es nicht tue.

„Präsident Trump“

Derweil wirkt Engoron zunehmend genervt von den Schwafelei­en des Zeugen. Einmal, als dessen Verteidige­r sagen, „Präsident Trump“sei kein gewöhnlich­er Prozessbet­eiligter und man solle ihn seine Sicht der Dinge schildern lassen, entfährt es ihm harsch: „Ich möchte nicht alles hören, was der Zeuge zu sagen hat. Wir wollen Antworten auf Fragen.“

Wahrschein­lich ahnt der Richter, dass da nicht mehr viel kommen wird. Am Mittwoch will er noch Trumps Tochter Ivanka aussagen lassen. Dann soll der Prozess bis zum 15. Dezember schnell abgeschlos­sen werden. Geht es nach Generalsta­atsanwälti­n James, drohen Trump 250 Millionen Dollar Strafe und ein Geschäftsv­erbot für New York.

Doch die Unterstütz­ung seiner loyalen Anhänger bleibt Trump erhalten. Noch aus dem Gerichtssa­al verschickt er einen neuen Spendenauf­ruf. „Die regierende Partei instrument­alisiert das Justizsyst­em, um den führenden Herausford­erer zu zerstören“, wettert er darin: „So beginnen Diktaturen!“

„Ich möchte nicht alles hören, was der Zeuge zu sagen hat.“

Richter Arthur Engoron

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Foto: AP / Elizabeth Williams Donald Trump wird befragt, Richter Arthur Engoron lauscht aufmerksam (links), wie diese Gerichtsze­ichnung zeigt.

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