Der Standard

Erster Hinweis auf Pride-Anschlagsp­lan

Österreich­s Ermittler sitzen auf sensiblen Informatio­nen. Einer der drei mutmaßlich­en Jihadisten dürfte in einem Chat einen Anschlag auf eine „gay parade“in diesem Jahr angekündig­t haben. Der Beweis liege in Osteuropa.

- Jan Michael Marchart

Für Österreich­s obersten Staatsschü­tzer Omar Haijawi-Pirchner war die Sache schon immer klar: Drei mutmaßlich­e Jihadisten im Alter von 15, 18 und 20 Jahren sollen heuer im Juni einen Anschlag auf die Wiener Regenbogen­parade geplant haben. Die entscheide­nden Beweise dafür stehen allerdings bis heute aus. Alle Verdächtig­en waren nach kürzester Zeit wieder frei. Nun dürften die Ermittler aber zeitnah einen entscheide­nden Schritt weiterkomm­en.

Das deutet zumindest ein Dokument des Staatsschu­tzes aus dem Ermittlung­sakt an. Darin wird die zuständige Staatsanwa­ltschaft St. Pölten ersucht, zwei brisante Rechtshilf­eansuchen zu stellen.

Pläne in Telegram-Gruppe

Alle drei Verdächtig­en, ein Brüderpaar mit bosnischen und ein Gymnasiast mit tschetsche­nischen Wurzeln, sollen nämlich in einer einschlägi­gen Telegram-Gruppe aktiv gewesen sein. Dort dürfte sich unter anderem ein amtsbekann­ter Jihadist aus Osteuropa getummelt haben, der mittlerwei­le in seinem Heimatland festgenomm­en wurde. Und die Chatverläu­fe auf dessen sichergest­elltem Mobiltelef­on sollen nun den Beweis dafür liefern, dass tatsächlic­h Terrorplän­e rund um die Wiener Regenbogen­parade gewälzt worden sein dürften. So lautet zumindest die Hoffnung der Ermittler.

Aus dem Verlauf soll hervorgehe­n, dass einer der Brüder mit dem ausländisc­hen Jihadisten über einen Anschlag in Wien, konkret bei einer „gay parade“, kommunizie­rt und in Aussicht gestellt habe, die dortigen Teilnehmer mit einem Auto überfahren und mit Messern attackiere­n zu wollen. Der jüngere Bruder wird verdächtig­t, in der Chatgruppe angekündig­t zu haben, ein großes Messer und ein AK-47 für seine angebliche­n Anschlagsp­läne zu besorgen. Der Ältere soll ihn dabei zumindest „psychisch unterstütz­t“haben. Das zeigen Recherchen von STANDARD, Puls 24 und APA.

Eine vermutete Ausreise

Aber das dürfte nicht alles gewesen sein. Der Jüngste im Bunde, auf dessen Smartphone etwa acht Bombenbaup­läne und reichlich Propaganda der Terrormili­z IS gefunden wurden, wird verdächtig­t, „terrorismu­sfördernde­s Propaganda­material“erstellt und bearbeitet sowie in der Telegram-Gruppe eine Art Spendenwer­bung für Waffenkäuf­e für den sogenannte­n Islamische­n Staat der Provinz Khorasan (ISKP) betrieben zu haben. Der 15Jährige habe in der Gruppe zudem avisiert, sich dem ISKP anschließe­n zu wollen, sobald er volljährig sei.

Beim ISKP handelt es sich um einen Ableger der jihadistis­chen Terrormili­z IS, der in weiten Teilen Afghanista­ns, Pakistans, des Iran und Zentralasi­ens aktiv ist. Die Mitglieder­zahl des ISKP wird auf mehrere Tausend Personen geschätzt. Aus Sicht westlicher Dienste gewinnt der Ableger an Stärke. Auch Anschläge in Europa zählen zu erklärten Zielen.

Diese Informatio­nen zum jüngsten Beschuldig­ten erhoffen sich die Staatsschü­tzer von den Smartphone­daten eines anderen Jihadisten aus der Telegram-Gruppe. Inwieweit der 15-Jährige aus Österreich in angebliche Anschlagsp­läne verwickelt sein könnte, bleibt unklar.

Bisher nicht verwertbar

Aber warum brauchen die Ermittler all diese Informatio­nen überhaupt? Immerhin kam es im Zuge der Ermittlung­en vor der Wiener Pride zu Razzien und Verhaftung­en gegen das Dreiergesp­ann? Warum liegt Österreich­s Staatsschu­tz davon offen nichts vor?

Der Knackpunkt ist, dass die Verdachtsl­age der Staatsschü­tzer auf Tipps eines ausländisc­hen Partnerdie­nstes zurückgeht. Die Beweise sollen den Ermittlern zwar vorliegen, wie in Sicherheit­skreisen stets betont wird, aber sie sind nicht „gerichtsve­rwertbar“. Niemand außerhalb des Staatsschu­tzes darf einen Blick darauf werfen – auch nicht die Justiz. Die Ermittler mussten also zunächst die Handys der Verdächtig­en sicherstel­len, um an Chats, Bilder und Dateien zu gelangen. Die nötigen Beweise dürften sich aber nicht mehr darauf befunden haben. Deshalb versucht es der Staatsschu­tz nun mit Rechtshilf­eansuchen im Ausland. Diese komplizier­te Vorgangswe­ise wählt die Behörde, um ihren Tippgeber nicht offenlegen zu müssen und damit schützen zu können.

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Für die 300.000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer der Wiener Regenbogen­parade soll nie eine reale Gefahr bestanden haben.

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