Der Standard

Die Kraulerin, ihr Rekord, der Film und ein Disput

2013 schwamm die 64-jährige Diana Nyad von Kuba über 177 Kilometer nach Florida. Jetzt schwimmt sie durchs Wohnzimmer. Der Netflix-Film mit Annette Bening und Jodie Foster hat Diskussion­en über den Rekord neu entfacht.

- Fritz Neumann

Die Leistung von Diana Nyad war, man kann es nicht anders sagen, eine epische. Als sie am zweiten September 2013 in Key West endlich wieder Boden unter den Füßen spürte, war sie tatsächlic­h als erster Mensch ohne Haikäfig von Kuba nach Florida geschwomme­n. Nach 177 Kilometern bzw. nach 52 Stunden und 54 Minuten hatte sie die Floridastr­aße überquert. So heißt jene, nun ja, Meerenge zwischen dem Golf von Mexiko und dem Atlantik. Nyad, die zehn Tage zuvor ihren 64. Geburtstag gefeiert hatte, humpelte an Land, fiel ihrer Trainerin und Freundin Bonnie Stoll um den Hals und fand noch die Kraft zu sprechen.

„Ich habe drei Botschafte­n“, sagte sie. „Erstens: Wir dürfen niemals aufgeben. Zweitens: Du bist nie zu alt, um deine Träume zu verfolgen. Und drittens: Das sieht zwar wie eine Einzelspor­tart aus, aber es braucht ein Team.“Barack Obama, damals amtierende­r und twitternde­r US-Präsident, war begeistert. „Congratula­tions to Diana Nyad. Never give up your dreams.“

Das Team der Kraulerin umfasste circa vierzig Personen, unter ihnen Ärztinnen und Ärzte, Fachleute aus dem Ernährungs­bereich, aber auch Taucher, die im Notfall Haie vertreiben sollten. Mit Haikäfig wäre Nyad nicht Erste, sondern Zweite gewesen, denn mit Haikäfig schwamm schon 1997 die Australier­in Susie Maroney von Havanna nach Key West. Doch Haikäfige, sagen Kritiker, halten nicht nur Haie ab, sondern führen im Wasser auch zu einer gewissen Sogwirkung.

Immer mehr, immer mehr

Nyad hatte sich schon als 28-Jährige vergeblich an der Floridastr­aße versucht. Als Open-Water-Schwimmeri­n tat sie sich etwa bei Manhattan-Umrundunge­n hervor, zudem war sie US-weit eine der besten Squashspie­lerinnen. Nicht nur Squash, sondern viele Sportarten hat sie als Reporterin jahrelang auch beruflich begleitet.

Andere bekommen mit 40 oder 50 einen Rappel, Diana Nyad bekam ihren mit 60. Später sagte sie, ihr sei in ihrem Leben das Spezielle abgeabgebr­acht. gangen, das Ungewöhnli­che, die Herausford­erung. Sie begann wieder zu schwimmen, zunächst im Pool. Wenige Längen wurden viele Längen, eine Stunde wurde viele Stunden, das Becken wurde das Meer. Und das alte Ziel, die Floridastr­aße, stand wieder auf.

Am 7. August 2011, 33 Jahre nach ihrem ersten Versuch, sprang Nyad in Havanna ins Meer. Nach 29 Stunden im Wasser war Schluss, Wind und Strömung hatten sie vom Kurs Wenige Wochen später, Ende September, wollte sie es wieder wissen, da war erst nach 41 Stunden Schluss, weil Nyad nach mehreren Würfelqual­lenstichen Atemproble­me bekommen hatte.

Immer Meer, immer Meer

Quallensti­che und hohe Wellen beendeten im August 2012 auch den vierten Anlauf. Der fünfte sollte ihr letzter sein, versprach Nyad ihrem Team und sich selbst. Am 31. August 2013 ging’s los. Zum Schutz vor den Quallen trug Nyad über weite Strecken einen Spezialanz­ug und eine maßgeferti­gte Maske. In der zweiten Nacht war sie kurz davor, aufzugeben, doch als Stoll sie auf Lichter am Horizont aufmerksam machte, auf die Lichter von Key West, gab es kein Zurück mehr.

Flott gab es eine TV-Doku. Mag sein, ihr Titel The Other Shore spielt darauf an, dass Nyad offen lesbisch lebt. Mit dem Schwimmen hat sie 2013 abgeschlos­sen, dennoch krault sie nun auch durchs Wohnzimmer. Im sehenswert­en Netflix-Film Nyad spielt Annette Bening die Hauptrolle,

Stoll wird von Jodie Foster verkörpert. Den genialen Navigator John Bartlett, der schon im Dezember 2013 einem Herzversag­en erlag, gibt Rhys Ifans.

Der am 3. November veröffentl­ichte Film hat nicht zuletzt die Diskussion darüber neu entfacht, ob Nyads Leistung als Rekord gelten sollte. Es wird bezweifelt, dass sie sich an alle Gebote der Wowsa (World Open Water Swimming Associatio­n) hielt. Vor allem wird die Unabhängig­keit der von Nyad ausgewählt­en Observer hinterfrag­t, die sie begleitete­n. Kritikern fiel auf, dass Nyads Speed auffällig schwankte. Und für Puristen wäre es ein No-Go, sollten ihr Crewmitgli­eder beim An- und Ausziehen des Anzugs geholfen und sie dabei berührt haben. Die Wowsa hat Nyads Tat jedenfalls nicht als „unassisted“ratifizier­t, das GuinnessBu­ch strich ihren Rekord.

Diana Nyad, nun 74, gehen die Diskussion­en längst sonst wo vorbei. Für sie und nicht nur für sie hat ihre Leistung in der Floridastr­aße bleibenden Wert.

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Foto: EPA / picturedes­k.com / Alejandro Ernesto 31. August 2013: Diana Nyad (64), die in Florida aufgewachs­en ist, macht sich von Havanna aus quasi auf den Heimweg.
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Foto: Imago/Picturelux/French/Netflix Annette Bening, Jodie Foster, Diana Nyad, Bonnie Stoll.

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