Italiens Supervulkan sorgt für Nervosität
Die Phlegräischen Felder bei Neapel zeigen seit Monaten Anzeichen steigender Aktivität. Forschungseinrichtungen und Behörden beobachten die Lage angespannt. Ob und wann ein Ausbruch droht, ist aber schwer vorherzusagen.
Seit Monaten sorgen die Phlegräischen Felder bei Neapel für Nervosität. Unter dem Supervulkan, der sich über 150 Quadratkilometer erstreckt und zuletzt im 16. Jahrhundert ausbrach, rumort es merklich. Zunehmende Erdbeben und eine Anhebung des Bodens verheißen nichts Gutes: Fachleute gehen davon aus, dass Magma in Bewegung ist. Ob das auf eine bevorstehende Eruption hindeutet, lässt sich aber nicht eindeutig beantworten.
Angesichts der großen Bevölkerungsdichte in der Region werden Evakuierungspläne für den Notfall ausgearbeitet, die italienische Regierung erwägt derzeit, die zweithöchste Gefahrenstufe auszurufen. Ein großer Ausbruch hätte auch über die Region hinaus weitreichende Auswirkungen. Was ist über die Situation der Phlegräischen Felder (ital. Campi Flegrei) bekannt, und wie wahrscheinlich ist es, dass es zu einem Ausbruch kommt?
Frage: Was ist ein Supervulkan?
Antwort: Als Supervulkane werden die größten Vulkane der Erde bezeichnet. Wie typische Feuerberge sehen sie nicht aus: Sie sind zu groß, um bei Ausbrüchen einen Kegel auszubilden, stattdessen entstehen riesige Einbruchskessel – sogenannte Calderen. Unter einem Supervulkan befindet sich eine gewaltige Magmakammer, die sich mit Gas anreichert. Wie in einem Schnellkochtopf steigt dabei der Druck, das Gebiet über der Magmablase beginnt sich zu heben und Risse auszubilden. Kommt es zur Eruption, sind die Folgen potenziell global.
Frage: Welche Folgen hat der Ausbruch eines Supervulkans?
Antwort: Bei einer Supereruption können mit einem Mal tausende Kubikkilometer Lava ausgestoßen werden. Die enorme Zerstörungskraft ist nicht für die unmittelbare Umgebung eine Gefahr: Bei Supereruptionen gelangen so große Mengen an Staub und Gasen in die Atmosphäre, dass es zu einem sogenannten vulkanischen Winter kommt. Durch den künstlichen Schleier würde die Temperatur weltweit absinken, drohende Folgen wären veränderte Wettermuster, Missernten und Hungersnöte. Nicht jeder Ausbruch eines Supervulkans muss aber derart verheerend sein, erklärt Robert Supper, Bereichsleiter für Geophysik und Angewandte Geologie bei Geosphere Austria, einer Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums. Supervulkane können auch kleine Eruptionen durchmachen.
Frage: Was ist über die Phlegräischen Felder bekannt?
Antwort: Die Campi Flegrei erstrecken sich über ein dichtbesiedeltes Gebiet von mehr als 150 Quadratkilometern und liegen am Rande der Millionenstadt Neapel. Der Vulkan ist aktiv. Der letzte größere Ausbruch ereignete sich 1538, seither verhielten sich die Felder zwar vergleichsweise ruhig. In den vergangenen Jahrzehnten nahm die Aktivität aber merklich zu. Seit einigen Monaten kommt es in der Region vermehrt zu Erdbeben, allein im September wurden laut dem VesuvObservatorium des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) auf dem Gebiet der Campi Flegrei mehr als 1100 Beben registriert. Auch der Boden über dem Vulkan hebt sich, wobei die Geschwindigkeit zunimmt: Seit Jänner des Vorjahres betrug die Hebung 25,5 Zentimeter. All das deutet Forschenden zufolge darauf hin, dass Magma zur Oberfläche steigt und ein Ausbruch bevorstehen könnte.
Frage: Wie akut ist die Lage derzeit?
Antwort: Das lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. „Der Vulkan ist in einen Zustand vermehrter Aktivität gekommen, und das ist ein Alarmzeichen“, sagt Geologe Supper. „Das Problem ist aber: Ein Vulkanausbruch ist nicht vorhersagbar. Die Politik braucht zwar ein Maß, um die Gefährlichkeit zu bestimmen, aber es ist enorm schwierig zu sagen, wie sich das weiterentwickelt.“Die italienische Zivilschutzbehörde erwägt derzeit, die Gefahrenstufe von gelb (Ausbruch in einigen Monaten möglich) auf orange (Ausbruch innerhalb von Wochen möglich) zu erhöhen. Das aktuelle Rumoren unter den Phlegräischen Feldern könne sich weiter steigern und im schlimmsten Fall zu einer Eruption führen, der Vulkan könne sich aber auch wieder beruhigen, sagt Supper. „Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass er wieder zur Ruhe kommt. Aber wenn dort etwas passiert, ist das bei dieser dichten Besiedelung ein großes Problem.“
Frage: Wann müssten die bewohnten Gebiete evakuiert werden?
Antwort: Eine offizielle Evakuierung würde erst bei Gefahrenstufe Rot erfolgen. Sie würde zunächst die rund 500.000 Menschen betreffen, die direkt auf dem Gebiet der Phlegräischen Felder leben. Schlimmstenfalls müssten aber mindestens 1,3 Millionen Menschen aus dem Großraum Neapel evakuiert werden. Ob das in kurzer Zeit möglich wäre, wird allerdings von vielen Fachleuten bezweifelt. Auch Supper sieht hier große Schwierigkeiten: „Das Gebiet ist so dicht besiedelt, da ist es sehr schwierig, Evakuierungsmaßnahmen durchzuführen, auch weil die Autobahnen schon im Normalfall überlastet sind. Auch die Bahnstrecken gehen durch Neapel, die Leute kommen im Notfall schwer weg aus dem Gebiet.“Wann wäre der richtige Zeitpunkt für eine Evakuierung gekommen? Supper: „Das ist eine politische Entscheidung, denn mit den heutigen Messmethoden gibt es nicht den einen Punkt, wo wir sagen können: Jetzt müssen die Menschen das Gebiet verlassen. Die Evakuierungen sind mit enormen Kosten verbunden, und wenn es zwei- oder dreimal Fehlalarm gibt, werden sich viele nicht mehr daran halten.“
Frage: Gibt es Anzeichen dafür, dass der italienische Supervulkan für eine globale Katastrophe sorgen könnte?
Antwort: Fachleute sorgen sich vor allem um die lokale Bevölkerung. Eine Supereruption mit weltweiten Folgen halten Vulkanologinnen und Vulkanologen aus heutiger Sicht für unwahrscheinlich, derzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass große Magmamengen in Bewegung sind. „Wenn ein Supervulkan in Europa ausbricht, wäre die Katastrophe perfekt, dann hätte man Auswirkungen auf das Klima und die gesamte Infrastruktur, aber davon ist nicht auszugehen“, sagt Supper. „Aber auch ein kleiner Ausbruch könnte lokal viele Häuser zerstören und in dieser dichtbesiedelten Gegend für viele Tote sorgen.“Zu hoffen bleibe, dass sich der Vulkan wieder beruhige, wie es schon nach einer aktiveren Phase vor einigen Jahrzehnten der Fall war: Auch Anfang der 1980erJahre kam zu einer deutlichen Hebung des Vulkangebiets, die von zahlreichen Erdbeben begleitet wurde. Schließlich senkten sich das Magma und damit auch der Boden aber wieder ab. Das Niveau der Hebung war damals allerdings deutlich niedriger als heute.