Der Standard

Detailreic­her Blick auf ein Ökosystem im Wandel

Das Naturhisto­rische Museum Wien widmet der bedrohten Arktis eine Sonderauss­tellung

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Wien – Gleich beim Eingang wird man von Nora begrüßt. Als Präparat hat die im Vorjahr verstorben­e Eisbärin des Schönbrunn­er Zoos kürzlich ein neues Leben nach dem Tod begonnen. Nun hat sie ihren ersten Job als Testimonia­l der neuen Arktis-Ausstellun­g im Naturhisto­rischen Museum (NMH) Wien. Schließlic­h stehen die Polarbären ikonisch für ihren Lebensraum.

Als größte Raubtiere der Erde sind sie auch die Spitzenprä­datoren der Arktisregi­on – ein sensibles Ökosystem, das durch den Klimawande­l in besonderem Ausmaß massiven Umwälzunge­n unterworfe­n ist. Die Arktis erwärmt sich in einem bis zu viermal höheren Tempo als der Rest des Planeten.

Arktische Verstärkun­g

Dazu tragen die verringert­e Albedo durch das Abschmelze­n von Eis und Schnee ebenso bei wie die Freisetzun­g der Treibhausg­ase Kohlendiox­id und Methan durch das Auftauen des Permafrost­bodens. Und die steigenden Temperatur­en bedingen höhere Niederschl­äge in Form von Regen, was wiederum zu einem schnellere­n Abschmelze­n führt. Der Effekt wird „Arktische Verstärkun­g“genannt. Die Veränderun­gen werden in absehbarer Zeit auch zu neuen politische­n und wirtschaft­lichen Realitäten in der Region führen. Doch der Fokus der Ausstellun­g liegt der Aufgabe eines Naturkunde­museums entspreche­nd auf dem Naturraum, erklärt der Ausstellun­gskurator Andreas Hantschk. So bildet die Darstellun­g der arktischen Großlandsc­haften – der Arktische Ozean mit den Meereisflä­chen, die Tundra und schließlic­h der Eisschild Grönlands – die zentrale Gliederung der Ausstellun­g. Für die Darstellun­g der Arktisbewo­hner ist das NHM nicht auf Zootiere angewiesen: Das Depot bietet einen reichen Fundus an Präparaten. Ein Beluga hingegen wurde als Modell nachgebaut.

Das sich verändernd­e Klima ist zwar der Ausgangspu­nkt, aber nicht der einzige Ankerpunkt der Sonderauss­tellung: vor genau 150 Jahren – am 1. November 1873 – betraten Teilnehmer der österreich­isch-ungarische­n Nordpolare­xpedition unter Julius Payer und Carl Weyprecht als erste Menschen die Wilczek-Insel des nur knapp zwei Monate zuvor entdeckten Archipels des Franz-Josef-Landes. Die Geschichte der spektakulä­ren Expedition wird anhand von originalen Objekten nacherzähl­t. Das im Eis zurückgela­ssene Expedition­sschiff, die Admiral Tegetthoff, ist als Modell mit dabei.

Zu den heimischen Erben Payers und Weyprechts zählt das Austrian Polar Research Institute (APRI), das als Projektpar­tner an der Schau beteiligt ist. APRI wird von den Unis Wien, Innsbruck und Graz sowie von der Geosphere Austria, einer Einrichtun­g des Wissenscha­ftsministe­riums, getragen. Polarforsc­her des APRI präsentier­en in der Ausstellun­g ihre Arbeit, auch die kürzlich mit der Uni Graz in Grönland errichtete permanente österreich­ische Polarforsc­hungsstati­on Sermilik ist als Modell zu sehen.

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