Zu wenig homophob für Ungarns Kulturminister
Museumsdirektor wegen World-Press-Photo-Ausstellung mit queeren Inhalten fristlos entlassen
Fehlendes Engagement bei der Umsetzung eines homophoben „Kinderschutzgesetzes“hat den Direktor des ungarischen Nationalmuseums den Job gekostet. Kulturminister János Csák feuerte am Montag den Chef der Weihestätte für Ungarns Nationalgeschichte, László L. Simon, fristlos.
Der Museumsmann habe „Gesetzesverstöße“seines Hauses trotz diesbezüglicher Aufforderungen nicht abgestellt und sich damit als „ungeeignet“für seine Position erwiesen, meinte der Minister am selben Tag im Parlament.
„Homophobiegesetz“
Das sogenannte Kinderschutzgesetz – im Volksmund „Homophobiegesetz“genannt – ließ der im Land alles entscheidende Ministerpräsident Viktor Orbán 2021 vom Parlament beschließen. Es sieht vor, dass Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren keine Inhalte zugänglich gemacht werden dürfen, die eine von der angeblichen Norm abweichende Sexualität thematisieren. Dasselbe gilt für „selbstzweckhafte Darstellungen“jeglicher Art von Sexualität.
Zum Verhängnis wurde Simon eine auf dem Gelände seines Museums gezeigte Ausstellung der Stiftung World Press Photo (WPP). Sie zeigt jedes Jahr weltweit preisgekrönte Pressefotos und ist gewissermaßen eine Leistungsschau der globalen Fotokunst für Medien. Auslöser für die Amtsaustreibung Simons war eine Fotoreihe der diesjährigen Ausstellung, auf der die Bewohner eines Altersheims für LGBTIQ-Menschen auf den Philippinen zu sehen waren.
Die berührende Darstellung, darunter Bewohner des Heims in Frauenkleidern, hat absolut nichts Anstößiges. Vielmehr würdigt sie eine Initiative, die einer auch auf den katholischen Philippinen verfolgten Menschengruppe einen Schutzraum bietet.
In Budapest ging die Schau am Sonntag zu Ende, in der Wiener Galerie Westlicht ist sie noch bis kommenden Sonntag zu sehen. Eröffnet wurde die WPP-Ausstellung im September von Balázs Orbán, dem – mit ihm nicht verwandten – politischen Direktor des rechtspopulistischen Regierungschefs.
Die gezeigten Fotos bezeichnete der Eröffnungsredner als „außergewöhnlich wichtige Arbeiten“. Erst viel später trat die Parlamentsabgeordnete Dóra Dúró von der rechtsradikalen Partei Mi Hazánk (Unsere Heimat) auf den Plan, die die Ausstellung als „gesetzeswidrig“denunzierte. Simon witzelte noch, dass Dúrós Wortmeldung erst einen richtigen Besucherzustrom ausgelöst habe.
Hinweistafeln
Das Kulturministerium wies ihn jedoch an, unter 18-Jährigen den Zutritt zu dem Museum zu verwehren. Das Museum brachte daraufhin entsprechende Hinweistafeln an, führte aber keine Ausweiskontrollen bei den Besuchern durch – weil sein Personal dazu auch gar nicht befugt ist.
Dennoch musste Simon gehen. Beim „Homophobiegesetz“versteht Ministerpräsident Orbán keinen Spaß. „Man braucht aber aus Simon jetzt keinen Helden zu machen“, meinte der ehemalige liberale Kulturminister András Bozóki am Dienstag in der Tageszeitung Népszava.
Als langjähriger Kulturfunktionär der Regierungspartei Fidesz war Simon nach Orbáns Machtantritt im Jahr 2010 maßgeblich an der Zerschlagung und finanziellen Ausblutung autonomer Kulturszenen beteiligt. Als Abgeordneter hatte er selbst für das „Homophobiegesetz“gestimmt, das ihm nun zum Verhängnis wurde.