Der Standard

Blaue Radikalitä­t in lichten Höhen

Mittlerwei­le wetzt Herbert Kickls FPÖ nicht nur verbal die Messer

- Sandra Schieder

In wenigen Wochen steht ein für die FPÖ wichtiger Jahrestag bevor: Der 5. Dezember ist für die Partei seit dem Vorjahr nicht mehr nur der Krampustag – derlei Traditione­n und Bräuche werden im blauen Universum hochgehalt­en –, sondern auch jener Tag, an dem sie erstmals seit Herbert Kickls Machtübern­ahme Platz eins in den Umfragen erreichte. Seither gab die FPÖ ihre Polepositi­on nicht mehr ab – im Gegenteil, der Abstand zu den anderen Parteien wurde mit der Zeit nur größer. Monate danach kratzten die Blauen schließlic­h an der 30-Prozent-Marke, mittlerwei­le haben sie diese sogar klar übersprung­en.

Mit jedem Prozentpun­kt, so scheint es, wächst auch die Radikalitä­t einer Partei, die seit Jahren permanent mit Radikalpos­itionen auffällt. Das anhaltende Umfragehoc­h lässt die letzten Hemmungen fallen. Zu beobachten ist das bei der „Heimattour“: Seit einem Monat tourt Kickl durch die Lande und tritt bei von der Partei organisier­ten Veranstalt­ungen auf. Dabei werden nicht nur verbal die Messer gegen den politische­n Mitbewerb, „selbsterna­nnte Eliten“, unbotmäßig­e Medien sowie Asylwerber­innen und -werber gewetzt, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes.

Die FPÖ wirbt nämlich mit einer gefährlich­en Messerschl­eifaktion. Anhängerin­nen und Anhänger werden dazu aufgerufen, ihre stumpfen Messer und Scheren zu den Veranstalt­ungen mitzubring­en – um diese dort „von einem Profi“schleifen zu lassen und „scharf“mit nach Hause zu nehmen. In Zeiten des Terrors ist diese Aktion eine Torheit, die ihresgleic­hen sucht und deren Symbolwirk­ung mehr als verheerend ist.

Während also die Messer geschliffe­n werden, kündigen FPÖ-Politiker auf den Bühnen der Bierzelte an, eine Landesräti­n „herprügeln“und Journalist­en „Benehmen“lehren zu wollen. Zeitungen, die „nur Blödsinn“schreiben würden, könnten mit einer geschliffe­nen Schere „zerschnipp­elt“werden, regt Kickl an. Offenbar brechen bei der FPÖ – für die verbale Attacken seit jeher zum politische­n Handwerksz­eug gehören – nun alle Dämme. Derart unverhohle­ne Drohungen sind nicht zu tolerieren. Man will sich nicht ausmalen, was als Nächstes kommt. Auf Worte folgen allzu oft Taten.

Kickl fühlt sich derzeit stark wie nie – und ist es auch. Mit harter Hand greift er intern durch. Schert einmal jemand aus, lässt die (öffentlich­e) Rüge nicht lange auf sich warten. So geschehen im Zuge der Debatte über die Erhöhung der Politikerg­ehälter, wo Parteifreu­nde nicht auf seiner Linie waren. Auch die Afghanista­nReise früherer FPÖ-Politiker zu den terroristi­schen Taliban blieb nicht ohne Konsequenz­en. Ein Kickl-Vertrauter, der mitreisen wollte, musste seine Rolle als außenpolit­ischer Sprecher abgeben.

Zu wünschen wäre, dass Kickl auch zu den blauen Finanzaffä­ren in Wien und Graz klare Worte findet, es wäre das Mindeste. Stattdesse­n schweigt er eisern – wohl weil von beiden Affären auch die Bundespart­ei nicht unberührt bleibt.

Von Medien mit alledem konfrontie­ren lässt sich Kickl nicht. Er verweigert sich Zeitungsin­terviews, auch Einladunge­n ins Fernsehstu­dio kommt er kaum nach – außer jenen von FPÖ-TV und anderen rechten Sendern, die ihn hofieren. Bleibt abzuwarten, ob der Parteichef sich im Wahlkampf Printmedie­n und TV-Debatten stellen wird. Derzeit scheint er unaufhalts­am zu sein, ungeachtet dessen, was er tut – oder eben bleiben lässt.

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