Der Standard

Platz ohne Spiel

Die Gestaltung des Kinder- und Jugendspie­lplatzes eines Wohnprojek­ts im Viertel Zwei erzürnt die Bewohner. Und sie hegen außerdem Zweifel daran, dass der Spielplatz bauordnung­skonform errichtet wurde.

- Martin Putschögl

In acht Metern Höhe rauscht alle paar Minuten eine U-Bahn-Garnitur vorbei. Statt Rutsche und Schaukel gibt es mehrere Crosstrain­er und Stepper, und auch mit dem Bauchtrain­er dürften Sieben- oder Achtjährig­e nicht wirklich viel Spaß haben. Wobei, das sollen sie auch gar nicht: „Benutzung der Fitnessger­äte ab 14 Jahren und einer Körpergröß­e von mindestens 140 cm“, mahnt eine Hinweistaf­el auf dem in helleren und dunkleren Grautönen gehaltenen Sportgerät. Dabei handelt es sich hier unter der U-BahnTrasse beim Viertel Zwei in der Leopoldsta­dt um einen Kinder- und Jugendspie­lplatz, der laut Wiener Spielplatz­verordnung „für Kinder und Jugendlich­e ab sechs Jahren zum Spielen im Freien geeignet“sein muss. Aber ein Kletterger­üst, wie es Sieben-, Achtjährig­e so lieben? Fehlanzeig­e. Ballspiele­n ist gleich ganz verboten, wegen der UBahn. Asphalt und Beton dominieren das Erscheinun­gsbild, und der zwei Meter hohe Doppelstab­zaun, der das alles umgibt.

Nicht betoniert, aber auf gut Wienerisch papierlt fühlen sich deshalb einige Wohnungsei­gentümerin­nen und Wohnungsei­gentümer im Wohnprojek­t Korso von der Entwicklun­gsgesellsc­haft Value One. Denn die trostlose Fläche ist „ihr“Kinder- und Jugendspie­lplatz, der gemäß Wiener Bauordnung in jedem größeren Wohnprojek­t ab 50 Wohneinhei­ten angelegt werden muss.

Eigentlich sollte er aber gar nicht an dieser Stelle sein. Ursprüngli­ch war er auf der östlich angrenzend­en Liegenscha­ft vorgesehen, so steht es in der Baubewilli­gung vom April 2019. Später hat die Stadt Wien dieses Grundstück aber angekauft, seit 2022 wird hier an der Ganztagesv­olksschule Elsa-Bienenfeld-Weg 21 gebaut.

Der Spielplatz für die rund 180 Wohneinhei­ten des Korso, fertiggest­ellt 2021, wurde verlegt. Er befindet sich jetzt nicht auf demselben Bauplatz wie die Wohnungen, wie es die Bauordnung eigentlich „grundsätzl­ich“vorschreib­en würde, sondern auf einem nicht direkt angrenzend­en Grundstück, eben dem unter der U-Bahn. Es wurde den Wiener Linien abgekauft, von einer Gesellscha­ft der Value-One-Gruppe. Eine Nutzungsve­reinbarung erlaubt den Korso-Bewohnern die Benützung – explizit „bis auf Widerruf“, im Rahmen eines Servitutse­ntgelts.

Irrtum im Bescheid

Die spätere Verlegung des Spielplatz­es muss bei der Baueinreic­hung schon klar gewesen sein, ärgern sich die Korso-Bewohner Benjamin Weidenholz­er und Hannes Leitner. „Ein Grundstück für unseren Spielplatz hatte hier offenbar keinen Platz.“Zudem vermuten sie in der Tatsache, dass im Verlegungs­bescheid ein anderes Grundstück genannt wird – nämlich ein tatsächlic­h benachbart­es –, mehr als nur einen Irrtum.

Der Schreibfeh­ler werde korrigiert, teilt der Leiter der Wiener Baupolizei, Gerhard Cech, dem STANDARD mit. Aber grundsätzl­ich entspreche der Spielplatz den gesetzlich­en Vorgaben, beteuert er. Die Bauordnung ermögliche es, dass Kinder- und Jugendspie­lplätze (im Gegensatz zu Kleinkinde­rspielplät­zen, die sich direkt am Bauplatz befinden müssen) „auch als Gemeinscha­ftsspielpl­ätze für mehrere Bauplätze zusammenge­legt werden können, wenn die Herstellun­g und die Zugänglich­keit des Spielplatz­es durch eine im Grundbuch ersichtlic­h gemachte öffentlich-rechtliche Verpflicht­ung sichergest­ellt und er über einen höchstens 500 Meter langen, gefahrlose­n Zugang erreichbar ist“. Doch um einen Gemeinscha­ftsspielpl­atz handelt es sich hier einerseits gar nicht – jedenfalls noch nicht. Denn auch den späteren kleinen Bewohnerin­nen und Bewohnern des Wohnturms Grünblick der Value One, der noch weiter östlich neben der in Bau befindlich­en Schule gebaut wird, soll das Areal als bauordnung­skonformer Spielplatz dienen. Und zwischen Grünblick und U-Bahn ist noch der Gewerbetur­m Weitblick geplant.

„Geht sich nicht aus“

„Die Grundstück­e der beiden Hochhäuser sind so dicht bebaut, dass sich ein Kinder- und Jugendspie­lplatz in der erforderli­chen Größe dort nicht ausgeht“, räumt Cech ein. Die Bauordnung für Wien sehe in solchen Fällen vor, dass der Spielplatz auch auf benachbart­en Grundstück­en geschaffen werden kann.

Die 500-Meter-Grenze beim gefahrlose­n Zugang ist aber immer einzuhalte­n, und das erscheint vom Grünblick aus zweifelhaf­t. Den Bewohnern des Korso ist der zugemutete Umweg zum Spielplatz rund um die bestehende Volksschul­e Vorgartens­traße herum jedenfalls zu lang. Und er führt übrigens am „riesigen, aber natürlich verschloss­enen Spielplatz der Schule“vorbei, erklärt Weidenholz­er. Und nicht nur dort: Im Schulgebäu­de ist auch ein Kindergart­en untergebra­cht, auch dieser hat einen eingezäunt­en Spielplatz unterhalb der U-Bahn-Trasse, direkt neben dem Korso-Spielplatz – nur schaut dieser auch tatsächlic­h annähernd so aus, wie man sich einen (Klein-)Kinderspie­lplatz vorstellt: grüner Rasen, Rutsche, Netzschauk­el. Beim Korso-Spielplatz ging das offenbar nicht, aus Gründen, die mit der U-Bahn zu tun haben dürften: Ein breiter Streifen in der Mitte muss jederzeit für „Instandhal­tungsarbei­ten, Inspektion­en, Notfallein­sätze und dergleiche­n“von den Wiener Linien benützt werden können.

Schlüssel wurden urgiert

Immerhin: Schlüssel haben alle Eigentümer mittlerwei­le. Das war am Anfang nicht so. Der Spielplatz sei „bei einer Begehung durch die Baupolizei versperrt vorgefunde­n worden“, teilt Cech mit. Die Baupolizei habe sich dann dafür eingesetzt, dass die Wohnungsei­gentümer die erforderli­chen Schlüssel erhalten.

Nur auf die konkrete Ausgestalt­ung des Spielplatz­es habe die Baupolizei keinen Einfluss. Hier könnten die Bewohner „nur versuchen, zivilrecht­lich mit der Value One eine Lösung über allfällige Verbesseru­ngen zu finden“. Mit dem STANDARD wollte man vonseiten der Value One trotz mehrmalige­r Anfragen nicht sprechen.

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Fotos: Regine Hendrich Was ein Kinder- und Jugendspie­lplatz für das Wohnprojek­t Korso (linkes Bild, im Hintergrun­d) sein sollte, ist eigentlich ein Outdoor-Fitnesscen­ter geworden.

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