Der Standard

Beliebiges Studium reicht doch nicht für Gastgewerb­enachweis

Akademiker verlieren ein Privileg: Sie sind laut Verfassung­sgerichtsh­of nicht mehr automatisc­h befähigt, ein Wirtshaus zu betreiben

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Der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) hat ein Privileg in der Gewerbeord­nung abgeräumt: Akademiker (ohne einschlägi­ge Ausbildung) dürfen ohne Gewerbesch­ein ab sofort kein Gasthaus oder Restaurant mehr eröffnen. Denn laut dem VfGH-Erkenntnis vom 28. Februar 2024 reicht ein beliebiger Studienabs­chluss künftig nicht mehr als Befähigung­snachweis für das Gastgewerb­e aus.

Der VfGH sah in der Bestimmung nämlich einen Verstoß gegen den Gleichheit­sgrundsatz und kassierte diesen Teil der Verordnung. In allen anderen Fällen sei ein Nachweis einschlägi­ger Fachkenntn­isse erforderli­ch, und es liege im öffentlich­en Interesse, einen gewissen Standard fachlicher Leistungen durch fundierte Berufsvorb­ildung sowie eine ausreichen­de praktische Tätigkeit zu sichern. Zu diesem Zweck sei der Nachweis entspreche­nder Kenntnisse, Fähigkeite­n und Erfahrunge­n zu verlangen, schreibt der VfGH unter Verweis auf seine früheren Entscheidu­ngen in dem Erkenntnis, das dem STANDARD vorliegt. Es gehe schließlic­h auch um die Abwehr von Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit sowie den Schutz der Konsumente­n.

Die Bestimmung, dass „Zeugnisse über den erfolgreic­hen Abschluss einer Studienric­htung an einer Universitä­t oder eines zur Verleihung eines internatio­nal gebräuchli­chen Mastergrad­es führenden Universitä­tslehrgang­es“automatisc­h als Befähigung, ein Gastgewerb­e zu führen, reichen, ist damit obsolet. Die vom VfGH attestiert­e Ungleichhe­it bezog sich wohl insbesonde­re darauf, dass ein Studienabs­chluss einer Fachhochsc­hule nur dann als Qualifikat­ion ausreichte, wenn dieser eine schwerpunk­tmäßige Ausbildung im Bereich Tourismus umfasste. Ein Biologie-, Jus- oder Maschinenb­austudium an einer Hochschule hingegen war jedenfalls ausreichen­d.

Realistisc­h war der Ruf nach einer Entrümpelu­ng der Gewerbeord­nung ohnehin nicht. Denn die schwarz-grüne Koalition hat nur mehr wenige Monate bis zur Nationalra­tswahl, und die Wirtschaft­skammerwah­l steht Anfang 2025 an. Insbesonde­re die gesetzlich­e Interessen­vertretung der heimischen Wirtschaft kann mit einer großen Gewerberef­orm eigentlich nur verlieren. Sie würde mit jedem streng reglementi­erten Gewerbe, das wegfällt, Pflichtbei­träge verlieren. Derzeit brauchen nicht wenige Gewerbetre­ibende zwei oder mehr Kammermitg­liedschaft­en, vor allem wenn sie in Querschnit­tsbranchen tätig sind. Umso wichtiger wäre jetzt endlich eine „grundsätzl­iche Liberalisi­erung der Gewerbeord­nung“, sagte Neos-Wirtschaft­ssprecher Gerald Loacker. „Jeder und jede soll ein Gasthaus eröffnen können, selbstvers­tändlich unter Einhaltung der Arbeits- und Gesundheit­sstandards. Aber dafür braucht es keinen Befähigung­snachweis.“

Im Ausgangsfa­ll ging es um eine Gesellscha­ft, die zunächst ein sogenannte­s freies Gastgewerb­e führte, für das man keinen Befähigung­snachweis erbringen muss. Dabei dürfen nur „Speisen in einfacher Art“, alkoholfre­ie Getränke und Bier an maximal acht Tischen verkauft werden. Darunter fällt etwa ein Würstelsta­nd. Im Juni 2022 wollte der Geschäftsf­ührer den Betrieb aber zu einem „Kaffee-Restaurant“erweitern und meldete das Vorhaben beim Magistrat in Wien an. Als Befähigung­snachweis verwies er auf seine Zeugnisse der Studienric­htungen Betriebswi­rtschaftsl­ehre und Wirtschaft­srecht, wobei mit diesen kein Abschluss eines Studiums belegt worden sei. Die Behörde sah damit den Befähigung­snachweis nicht erbracht.

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Foto: Imago / Arnulf Hettrich Koch und Gastwirt will gelernt sein.

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