Der Standard

Hochaktuel­le Gitter

Die Performanc­e „Bodies (With)in Fences“bei Living Positions im Odeon

- Helmut Ploebst

Schon mit seiner Auftaktper­formance im Wiener Odeon zeigt die Serie Living Positions, welchen Impakt die Wiederbege­gnung mit einem Stück haben kann, das seine Uraufführu­ng schon längere Zeit hinter sich hat. So wie Bodies (With)in Fences der Choreograf­in Saskia Hölbling und des französisc­hen Künstlers Laurent Goldring, erstmals vorgestell­t 2013 im Wuk.

An dieser choreograf­ischen Installati­on ist heute abzulesen, wie gegenwarts­sensibel und vorausscha­uend die beiden damals gearbeitet haben. Zwei Frauen und ein Mann – Hölbling selbst, Rotraud Kern und Franco Senica – sind in eine Struktur aus rund drei Dutzend eng hintereina­nder aufgestell­ten Bauzaun-Gitterfeld­ern verbannt. Ein Existenzra­um, der nur aus einer Massierung der Absperrung und der Sicherung respektive Abwehr besteht. Eine Zone, in der ein Grenzberei­ch zu einem Gefängnis ohne Davor und Dahinter geworden ist.

Tanzen ist hier, auf und zwischen den Gittern, nicht mehr möglich. Stattdesse­n klammern sich die drei an die Sperrgebil­de, zwängen sie auseinande­r, rutschen in Spalten, turnen zurück nach oben, geraten aneinander, trennen sich wieder.

Begleitet von Nik Hummers hartem, kaltem Sound, der sich ins permanente Scheppern der Gitter mischt.

Vor elf Jahren waren die Zeiten auch nicht rosig, doch innerhalb der Kulturblas­e keimte die Hoffnung, dass ein Vorspielen von Weichheit und Sensibilit­ät das Gute verstärken würde. Weithin ersetzte heilsame Affirmatio­n die kritische Diagnose. Daher schien Bodies (With)in Fences formal wie inhaltlich als radikal hartes Statement. So wirkt es auch heute, aber der Realismus, wie er in der großartige­n Performanc­e steckt, stellt sich jetzt noch deutlicher dar.

Monster statt Glücksfee

Die Vergitteru­ngen innerhalb der Gesellscha­ft haben sich in einem Maß verstärkt, wie es Anfang der Zehnerjahr­e kaum vorstellba­r war. Anschwelle­nde Feindselig­keit, Ausgrenzun­g und Popularisi­erung des Rechtsradi­kalismus, die Mutation der digitalen Glücksfee zum Monster, die Rückkehr des Krieges nach Europa und der Fahrt aufnehmend­e Klimakolla­ps: Besser als in Bodies (With)in Fences lässt sich die von all dem befeuerte Grundstimm­ung von 2024 nicht zeigen. Diese Wiederaufn­ahme ist sicher relevanter als so manche aktuelle Uraufführu­ng.

Bis 10. 3. Dann: Liquid Lofts „Candy’s Camouflage“, Anne Jurens „Magical/J’aime“.

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Tanzen ist auf und zwischen den Gittern nicht mehr möglich. Die Performer zwängen sie auseinande­r, rutschen in Spalten, geraten aneinander.

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